Politik von innen: Der ultimative Stresstest für die Regierung
Von Daniela Kittner
Herkules-Aufgabe I: Die Umsetzung der jüngsten EU-Beschlüsse in nationales Recht. Weil Großbritannien einen neuen EU-Vertrag torpediert, müssen die EU-Beschlüsse in Form eines internationalen Abkommens übernommen werden. Dazu ist ein Nationalratsbeschluss nötig. Die gute Nachricht für die Regierung: Für völkerrechtliche Verträge genügt die einfache Mehrheit, meint der Verfassungsexperte Bernd Christian Funk . Diesen leichteren Teil der Übung schaffen SPÖ und ÖVP also allein und ohne Oppositionshilfe.
Abgesehen davon richtet die EU-Hilfskonstruktion aber eine Menge juristischen Pallawatsch an. "Wir bewegen uns in völligem Neuland", sagt der Vorsitzende des Verfassungsausschusses im Parlament, Peter Wittmann . Der SPÖ-Politiker geht von einer Reihe von Verfassungsänderungen aus. Der Dauer-Rettungsschirm ESM, der ab Mitte 2012 gelten soll, braucht eine Verfassungsmehrheit. Diese scheint fraglich: FPÖ und BZÖ sind für Euro-Rettungsschirme grundsätzlich nicht zu haben. Die Grünen wiederum stellen Bedingungen, die die EU vorerst nicht erfüllt: eine Privatgläubigerbeteiligung und Eurobonds.
Für den ESM braucht es noch eine zweite Verfassungsbestimmung: Weil der ESM nicht Teil des EU-Rechts ist, muss die Mitwirkung des Nationalrats extra verankert werden. Denn sonst könnte die Finanzministerin im ESM verfahren, wie es ihr beliebt, ganz ohne Parlamentskontrolle. Hier geht es immerhin um österreichische Haftungen von bis zu 17 Milliarden € und Cash von 2,3 Milliarden €.
Die heikelste Verfassungsmehrheit betrifft die Schuldenbremse. Die Opposition hat die Zustimmung bereits einmal verweigert und gibt sich weiterhin bockig. Aber auch in den Regierungsfraktionen droht Widerstand. Die 57 SPÖ-Abgeordneten haben der Schuldenbremse letzte Woche zwar geschlossen zugestimmt (dafür waren sechs ÖVP-Abgeordnete absent). Aber letzte Woche ging es eben nur um ein zahnloses einfaches Gesetz. Bei der nächsten Abstimmung wird es hingegen darum gehen, die Schuldenbremse in die Verfassung zu schreiben – und genau gegen diese Fixierung im Verfassungsrang gibt es einen gültigen Beschluss der Arbeiterkammer und Skepsis bei roten Abgeordneten.
Herkulesaufgabe II: Ist es schon schwierig genug, die Schuldenbremse lediglich als Norm zu verankern, so ist umso fraglicher, wie die Regierung sie in der Substanz umsetzen will. Bis 2017 sind neun Milliarden aufzutreiben, 2012 soll mit 1,5 Milliarden begonnen werden.
Anstatt sich zusammen zu setzen, sich auf ein Paket zu einigen, und dieses dann durchzuziehen, wie es die Steirer Franz Voves und Hermann Schützenhöfer vorgezeigt haben, richten sich Werner Faymann und Michael Spindelegger täglich aus, was sie wollen und was nicht. Die SPÖ will die Hälfte der neun Milliarden über „Reichen“-Steuern lukrieren. Die ÖVP will das Gros der neun Milliarden mittels Strukturreformen einsparen. Diese Reformen sollen in den kommenden Monaten eingeleitet werden und sind eine ÖVP-Bedingung für Steuererhöhungen.
Die ÖVP will eine Milliarde bei den ÖBB einsparen.
Umgekehrt will die SPÖ der Landwirtschaft (den „Gutsherren“) Steuerzuckerln streichen. Das faktische Pensionsantrittsalter will die ÖVP um vier Jahre anheben, die SPÖ stellt sich taub.
ÖVP-Chef Michael Spindelegger will außerdem eine Konferenz von Bund, Ländern und Gemeinden, um das milliardenteure Förderwesen umzukrempeln.