Abgeordnete in die Verfassung?
Von Daniela Kittner
Das ist die Retourkutsche der Parlamentsklubs von SPÖ und ÖVP gegen die Regierung, weil diese die Anzahl der Abgeordneten reduzieren will. Künftig soll die Anzahl der Mandatare verfassungsrechtlich abgesichert werden. Das geht aus einem Antrag hervor, den die Klubobleute Josef Cap und Karlheinz Kopf im Nationalrat einbrachten, und der als „Trägerrakete“ für eine Parlamentsverkleinerung dient. Der Antrag lautet: Der Nationalrat solle ein Bundesverfassungsgesetz beschließen. Der Artikel 26 der Bundesverfassung solle lauten: Der Nationalrat besteht aus 165 Mitgliedern. Derzeit steht die Anzahl der Mitglieder des Nationalrats nicht in der Verfassung und kann mit einfacher Mehrheit geändert werden.
„Die nächste Regierung kommt dann daher, und sagt: 130 von euch sind auch genug!“, empört sich ein Koalitions-Abgeordneter. Einer solchen „Lizitation nach unten“ soll ein Riegel vorgeschoben werden. Insbesondere der SPÖ, die während Schwarz-Blau die Oppositionsbank drücken musste, ist bewusst, dass man dort wieder unsanft landen könnte. Deshalb will sie vorsorgen. „Während eine Regierung den gesamten Stab der Ministerien zur Verfügung hat, hat eine Oppositionspartei nur die Abgeordneten. Man darf nicht zulassen, dass das Parlament gegenüber der Regierung derart geschwächt wird“, sagt ein SPÖ-Abgeordneter.
Die Verkleinerung des Nationalrats per Verfassungsgesetz vorzunehmen, hat einen weiteren Nutzen aus Sicht der rot-schwarzen Abgeordneten: Man braucht dazu eine Oppositionspartei. So haben die Parlaments-Füchse aus einer misslichen Lage eine Win-win-Situation gemacht: Stimmt die Opposition nicht zu, bleibt es bei den 183 Abgeordneten. Stimmt die Opposition zu, sind die 165 künftig in Stein gemeißelt. Die ÖVP propagiert mit großer Verve ein Persönlichkeitswahlrecht. Hundert „Persönlichkeiten“ sollen künftig direkt von den Wählern ausgesucht werden.
Aber wie gehen denn die Parteien mit Persönlichkeiten um? Das verdient am Beispiel ÖVP eine nähere Betrachtung. Fall 1, Rederecht freier Mandatare. Ein Abgeordneter, in diesem Fall Ferry Maier , wird vom ÖVP-Klub daran gehindert, im Nationalrat zu sagen, dass er sechzig Milliarden neue Schulden für die Bahn – das ist immerhin die Größenordnung eines Jahresbudgets des Bundes – für unverantwortlich hält. Fall 2, Umgang mit der Demokratiereform.
Laut ÖVP-Abgeordneter Katharina Cortolezis-Schlager haben die ÖVP-Abgeordneten aus der Zeitung erfahren, erstens, dass sie ihre Verkleinerung auf 165 zu beschließen haben, zweitens, dass die Junge ÖVP ein neues Wahlrecht ausarbeiten soll ohne Mitsprache anderer in der ÖVP, drittens, das JVP-Modell an sich und viertens, dass das Modell zur Linie der Bundespartei wird. Cortolezis-Schlager: „Erst nachdem öffentlich Fakten geschaffen wurden, hat die Parteiführung die Abgeordneten informiert. Ich habe in der Klubsitzung an dieser Vorgangsweise Kritik geübt, woraufhin Sebastian Kurz Beschwerde-Mails an meine – wenn man so will – politisch Vorgesetzten, den Chef der Wiener ÖVP und den Generalsekretär des Wirtschaftsbundes schickte.“ Das bringt bei Cortolezis-Schlager das Fass zum Überlaufen: „Sebastian Kurz spielt nach außen hin den Super-Demokraten, und nach innen ist er der Diktator, der Abgeordnete mundtot machen will. Und so will man hundert Persönlichkeiten in den Nationalrat bekommen?“
Sie selbst nimmt den Kampf jedenfalls auf und startet „ab sofort“ ihren Persönlichkeitswahlkampf: „Ab jetzt zählt keine Parteidisziplin mehr, sondern nur mehr meine Wählerinnen und Wähler.“ Im Nachhinein tue es ihr leid, dass sie bei der Abstimmung über die Bahnschulden aus Parteiräson nur aus dem Plenarsaal gegangen sei und nicht, wie Ferry Maier, dagegen gestimmt habe. Fall 3 und vier sind historisch: Obwohl Othmar Karas Vorzugsstimmensieger bei der EU-Wahl war, durfte er nicht Chef der EU-Fraktion werden. Die ÖVP-Führung ignorierte die Wähler und hievte Ernst Strasser auf den Posten. Weil 1990 der populäre SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky mit einem österreichweiten Vorzugs-Wahlkampf Stimmen gesammelt hatte, bestand die ÖVP darauf, bundesweite Vorzugsstimmen aus dem Wahlrecht zu entfernen. Gerade jetzt könnte man jedoch im Internet leicht über den Wahlkreis hinaus Menschen erreichen und bundesweit werben. Damit könnten nicht nur „Bezirkskaiser“ direkt gewählt werden, sondern auch Abgeordnete, die bundesweit relevante Themen wie z. B. Konsumentenschutz oder Wissenschaft gut vertreten.