Meinung/Kolumnen/Paaradox

Sonderbare Sätze

... als müssten wir stündlich mit dem Eintreffen des Tenno Akihito rechnen

Gabriele Kuhn
über die Szenen einer Redaktionsehe

Sie

Manchmal sagt der Mann nebenan Dinge, die mich fassungslos machen. Etwa: Dann stehst halt nicht in der Nacht auf. Als Antwort auf die Tatsache, dass ich nachts – auf dem Weg zum Wasserholen in die Küche – über seine Sporttasche hinweg beinahe einen Bauchfleck gemacht hätte. Weil er wieder einmal das stinkerte Trumm nach einem geschmeidigen Matcherl mitten ins Vorzimmer plumpsen hat lassen, um sich erst der Körperpflege, dann der Premier League und schließlich dem Schönheitsschlaf zu widmen. Statt sich aber dafür zu entschuldigen, gibt er mir ungeniert zu verstehen, dass ich die Blöde wäre und untertags trinken solle statt nachts, wenn Hufi von Körbchen & Größen träumt. Schwachsinnige RatgeberIn solchen Fälle zähle ich ganz, ganz langsam bis eine Million und sage mir dabei mantraartig folgenden Satz vor: An der Liebe wächst der Mensch. An der Liebe wächst der Mensch. An der Liebe wächst der Mensch. Weil ich den irgendwo einmal gelesen habe und weil ich mir denke, irgendein Schas muss ja gegen seine peinigende Ignoranz helfen. Tatsächlich steht in all diesen schwachsinnigen Liebes-Ratgebern, dass man an den Blödheiten des Partners wachsen und von ihnen lernen könnte: „Betrachten Sie Ihren Liebsten als Spiegel, in dem Sie sehr viel über sich selbst erfahren.“ Na gut, dann denke ich an dieser Stelle einmal nach, was ich vom Mann nebenan irgendwie gelernt haben könnte:

Stimmt, das ist nicht viel. Aber vielleicht ist der Spiegel ein bissi blind und ich bin ein bissi blöd.

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Er

Manchmal sagt die Frau nebenan Dinge, die mich fassungslos machen. Etwa: Hast du Matcha-Tee gekauft? Diese Frage erheitert mich aus zwei guten Gründen. Erstens bin ich der Meinung, dass ich mit Sicherheit nicht aussehe wie ein Mann, der wüsste, dass es etwas gibt, das sich Matcha-Tee nennt. Und zweitens ist es nach so vielen gemeinsamen Jahren echt abenteuerlich naiv, anzunehmen, ich hätte als Chefeinkäufer der Familie einen eigenständigen Überblick über unseren Tee-Bestand. Das kann nur eine Frau glauben, die irgendwann einmal über eine Sporttasche geflogen ist. Und vergessen hat, dass ich Tee nur trinke, wenn es das Letzte ist, was mein Überleben sichert. Und die außerdem nicht mehr merkt, dass in unserem Tee-Kasten eine derart neurotische Vielfalt herrscht, als müssten wir stündlich mit dem Eintreffen des Tenno Akihito rechnen, der dann fix nicht auf seine Tee-Zeremonie verzichten mag. FalleSelbstverständlich formuliere ich auch genau das. Und schließe mit einer Bemerkung, die sich augenblicklich als jene Falle herausstellt, in die ein alter Ehe-Fuchs nicht mehr tappen darf. Ich offenbare: „Du musst halt sagen, wenn du so ein neues Tee-Dings brauchst.“ Es sagen müssen. Das ist für gnä Kuhn, die von früh bis spät mehr um die Ohren hat, als sich so ein Mannschlumpf wie ich überhaupt je vorstellen kann, blanke Provokation. Sie will nämlich „nicht immer alles sagen müssen“. Heißt: Ich muss die Alltags-Petitessen und den Matcha-Tee-Nachschub antizipieren, damit sie die geistige Freiheit hat, sich unbehelligt dem großen Ganzen zu widmen. Und in aller Ruhe an der Liebe wachsen kann.

Unsere nächsten Paaradox-Auftritte in Wien: 3. 4. und 25. 4. (jeweils 20 Uhr). Karten unter rabenhoftheater.com

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