Salzlos unglücklich
Ich glaube, gnä Kuhn wäre ein Fressen für Aristoteles gewesen.
über die Szenen einer Redaktionsehe
Sie
Manchmal habe ich Tagträume, meist sind sie schön. Manchmal sind sie es nicht. Etwa, wenn mir – keine Ahnung, warum – folgender Gedanke einfällt: Was würde bei uns daheim passieren, gäbe es plötzlich kein Salz mehr? So absurd das auch klingen mag, er ist angesichts der Salz-Attitüden des Mannes durchaus berechtigt. Der ist ein wütender "Sicherheitshalber"-Salzer – also einer, der erst salzt, dann isst. Und auszuckt, wenn kein adäquater Salzspender – am besten in Form einer phallusartigen Salzmühle – zur Hand ist. Oder – pfah, grauslich – nur mein ödes Kräutersalz nach Hildegard von Bingen, von ihm stets leicht ironisch "Esoteriker-Droge aus dem Jutesackerl" genannt, die man nur nach drei Sonnengrüßen bei Vollmond ins Essen tun darf und "man im Pfeiferl rauchen" könne. Ich bin sicher: Er würde sogar eine Portion Salz nachsalzen, weil er stets in dem für ihn typischen "Erst tun, dann denken"-Modus agiert.
Kein Wunder
Ich zitiere dann aus meinen Küchenweisheiten, etwa – "Um einen guten Salat anzurichten, braucht man vier Charaktere. Einen Verschwender für das Öl, einen Geizhals für den Essig, einen Narren für den Pfeffer und einen Weisen für das Salz". Ich füge hinzu, dass angesichts dieses Spruchs – Stichwort "Weisheit" oder eben nicht vorhandene Weisheit – eh alles klar sei. In meinem Tagtraum erfinde ich schließlich das Placebo-Salz – etwas, das aussieht wie Salz, aber keines ist. Weil ich überzeugt bin, dass er den Unterschied in seinem Zustand fortgeschrittener Geschmacksverwirrung gar nicht merken würde. Zusammenfassend kann also gesagt werden: Wenn wir zwei streiten, dann um die Würze des Lebens und die Frage: Wie viel Schwein darf es sein? Deshalb koche ich gerne mit Wein. Hie und da gebe ich ihn sogar ins Essen.
Er
Gelegentlich bewundere ich meine Frau, wenn es ihr wieder einmal gelingt, aus einer veritablen Banalität des Alltags ein Textlein zu zaubern. Und dabei auch noch mit erstaunlicher Souveränität ohne jeden Anflug eines schlechten Gewissens wichtige Story-Zutaten weglässt. Umso mehr würde ich ihr an dieser Stelle gerne raten, über einen bedeutenden Satz von Aristoteles nachzudenken: "Man kennt einen Freund erst recht, nachdem man viel Salz mit ihm gegessen hat." Ich weiß jedoch nicht, ob diese Weisheit allenfalls nach einem knackigen Ehestreit mit Gattin Pythias entstanden ist, oder ob der Mann wie öfter nur so vor sich hinphilosophiert hat
Minimalismus
Was ich hingegen sehr wohl weiß: Dass ich es tatsächlich mit Vorliebe salzig habe. Das wiederum erachte ich als Befund für einen ziemlich verhaltensunauffälligen Esser ungefähr so spannend wie das Salatblatt und sein Paradeiserscheiberl als Garnitur-Unfug zum Schnitzel. Und dennoch will ich der launigen Erzählung zu ihrer Gesamtheit verhelfen. Es ist nämlich so, dass meine Frau dem Sprichwort folgend sicher nur als nahezu chancenlose Außenseiterin in das Rennen um die verliebteste Köchin ginge. Da sie als Salzerin nach Adam Prise den Minimalismus zum Credo erhoben hat. Darauf ist nach vielen gemeinsamen kulinarischen Jahren ebenso Verlass wie auf den berühmten Satz "Koste doch erst, bevor du salzt!" Als wüsste ich es nicht besser. Dafür trinkt sie am Ende der Salataufnahme stets den gesamten Rest-Essig aus der Schüssel und lässt mich beim Anblick erschaudern. Ich glaube, gnä Kuhn wäre ein Fressen für Aristoteles gewesen.
Unsere nächsten Paaradox-Auftritte in Wien: 13. 3., 3. 4. und 25. 4. (jeweils 20 Uhr). Karten unter rabenhoftheater.com
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