Meinung/Kolumnen/Paaradox

Der jährliche Nest-Test

Der klare Fall eines Osterzaunpfahls

Gabriele Kuhn
über die Szenen einer Redaktionsehe

Sie

Ich kenne eine Frau, die schenkt ihrem Mann nebenan tatsächlich zu Ostern einen Hasen. Ein buntes, kleines Schoko-Hasi – zum alsbaldigen Verzehr gedacht. Sowie ein Ei. In Rot. Von Hand bemalt. Mit dem Satz: Für einen Mann mit EIgenschaften. Was sie ebenfalls tut: Sie versteckt den Hasen. Sie versteckt überdies Socken oder und irgendeinen hübschen Herrenslip. Allenfalls ein originelles Buch – mit Titeln wie „Männerspielzeug: Alle lebensnotwendigen Dinge für das Kind im Manne.“ Sie ist überzeugt, dass das beziehungsfördernd sei. Und ja, diese Frau bin ich.

Lustige Gutscheine

Ich bin mühsam, lästig, beharrlich und oft einmal beleidigt bzw. beleidigend. Aber ich bin auch kindisch. Selbst mit 55 Jahren noch. Ich freue mich, wenn er am Ostersonntag das tut, was er am schlechtesten kann: suchen und nicht finden. Er irrt dann durch den Garten oder durch die Wohnung und jammert: Mein Gott, muss das sein! Alle Jahre wieder, geh Schatzi! Aber irgendwie freut er sich doch, weil wir es dabei sehr lustig haben. Vor allem aber freut er sich über das kleine Gutscheinheft, das ich ihm bastle. Darin sind 10 Gutscheine für alle Liebeslagen enthalten. Gutschein Nr. 1 betrifft etwa seine Geschirrspülumräumneurose. Auf dem steht: „Wenn du diesen Gutschein einlöst, darfst du 2 Wochen lang Besteck und Teller passgenau einschlichten, ohne dass ich dich als paranoiden Zwängler oute.“ Die große Geschirrspülerfreiheit, also. Oder Gutschein Nr. 8, auch nicht übel: „Bon für Bauchfleisch, Sauerkraut und Knödel und – im Gallenblasen-Anlassfall – liebevolle Begleitung zur gastroenterologischen Notfallambulanz mit anschließendem Handihalten.“ Die große Bratenfettfreiheit, also. Nicht zuletzt Bon Nr. 10: Bussi aufs Bauchi. Einfach so, also: ohne Hintergedanken.

gabriele.kuhnfacebook.com/GabrieleKuhn60

Twitter: @GabrieleKuhn

Er

Immer wieder bemerkenswert, wie es der Liebsten gelingt, wesentliche Details unerwähnt zu lassen. Versehentlich natürlich. „Ach so, das“, sagt sie dann gerne, „ist das so wichtig?“ Ja. Ist es. Denn es entspricht zwar tatsächlich der österlichen Realität, dass sie eine Batzenfreude hat, mich auf die große Suche zu schicken (als wäre ich nicht ohnehin das ganze Jahr zur Genüge damit beschäftigt, meine Sachen zu suchen, die sie verräumt hat, weil „das macht mich narrisch, wenn überall etwas von dir herumkugelt“). Aber der Inhalt des Osternesterls, das ich originellerweise immer unter jenem riesigen Papierberg finde, den ich seit Wochen „unbedingt demnächst“ beseitigen will, besteht keineswegs nur aus süßen Aufmerksamkeiten.

Botschaften

Denn zum Schokohasen, der vor einigen Jahren einmal ein Bitterschokohase war (sie behauptet bis heute, das sei keine Absicht gewesen), gesellt sich zwar wirklich stets ein Buch oder ein Hemd (von wegen Slip), aber: Dass sie mir dazu auch Brieflein oder kunstvoll zusammengebundene Papierröllchen bastelt, sollte hier schon auch Beachtung finden. Bei diesen Herz-Botschaften handelt es sich nämlich um bunte Prospekte (Achtung! Unser Gartenmarkt hat ab jetzt bis 19.30 Uhr geöffnet!) oder Magazin-Rankings (Die 10 besten Blumengeschäfte der Stadt) – also um den klaren Fall eines Osterzaunpfahls. Ich überreiche ihr dann aber im Gegenzug – quasi voller Nestosteron – alle Champions-League-Termine der Saison, liebevoll eingebettet in gefühlte 150 kg selbst besorgte Tulpenzwiebel. Dann lächle ich, umarme sie und denke mir: Wie wunderbar, dass sie einst „Ja“ gesagt hat.

Unsere nächsten Paaradox-Auftritte in Wien: 3. 4. und 25. 4. (jeweils 20 Uhr). Karten unter rabenhoftheater.com, sowie am 19. 4. in Schloss Großrußbach

michael.hufnagl@kurier.at

Twitter: @MHufnagl

www.michael-hufnagl.com