Selbstgeißelung

Seit Essen nicht mehr primär genussvolle Nahrungsaufnahme, sondern Ersatzreligion ist, ist die Speisekarte Bibel. Unter Veganern, Steinzeitkostessern und Superfoodern finden sich viele Missionare. Und wie bei der echten Religion gilt: Man muss nicht alles verstehen.

Zum Beispiel, dass sich Vegetarier und Veganer gerne nichtfleischliches Essen zubereiten lassen, das so tut, als wäre es Fleisch. Geschmacklich. Aber auch optisch. Also Tofu/Soja/Seitan in Form von Wurst, Henderl oder Fleischlaberln. Auf der Kantinen-Karte fand sich jüngst ein "veganes Beuschel" – das meinte nicht die Lunge des Tofu auf dem Teller, sondern Tofu in Form eines klassischen Eingeweide-Ragouts aus Leber, Lunge, Herz und Milz. Ob’s zu Weihnachten auch Fischbeuschelsuppe und Gans vegan gibt? Oder für Freunde der arabischen Küche vegane Hammelaugen? Für die der chinesischen Tofu-Katzenpfoten – wer weiß?

Umgekehrt ist selten: Schweinsbraten in Salatform geht nicht wirklich. Aber der Bratenesser ist eh keiner, der sich zusätzlich geißeln muss.