Meinung/Kolumnen/Ohrwaschl

Temperamente

Vielleicht liegt die verbreitete Abneigung gegen das bundesdeutsche Idiom ja genau an dieser Wahrheit.

Andreas Schwarz
über den Unterschied der Temperamente

Der Heilige Abend ist schon ein Zeiterl her, aber den einen oder anderen Leser magerlt immer noch, dass hier einmal "zu Heilig Abend" zu lesen stand: "Müssen wir uns sprachlich vor den Deutschen um die Erd’ hauen?"

Nein, wir pflegen unser Deutsch mit Liebe. Wir sagen auch nicht Quark statt Topfen oder Kloß zu Knödel. Aber der radikale Purismus gegenüber allem, das/wie der deutsche Nachbar spricht, ist übertrieben. Weil die Kartoffel auch in Österreich gegessen wird und den Erdapfel im Westen keiner kennt. Weil viel vom Sprachgeschmack abhängt: An und ab statt "ab und zu" stellt vielen die Haare auf, schlicht und ergreifend statt "schlicht und einfach" nicht. Und das bundesdeutsche Abendbrot ist inhaltlich präziser als unser Nachtmahl.

Apropos: "Dass der Österreicher gesessen ist, während der Deutsche auch in diesem Zustand nicht müßig war, sondern gesessen hat, bezeichnet den ganzen Unterschied der Temperamente" hat Karl Kraus geschrieben. Vielleicht liegt die verbreitete Abneigung gegen das bundesdeutsche Idiom ja genau an dieser Wahrheit.