Wiener Kriecherl-Liebe
Von Julia Schrenk
Das Tolle an ihnen ist: Sie sind hart im Nehmen und kein Tussi-Obst.
über Kriecherln
An einem Sonntag im Vorjahr stand ich auf der Leiter, die Arme in der Baumkrone, zwei Kübeln unter mir. Einer für die roten, einer für die gelben Kriecherln. Ich pflückte so lange, bis ich das Gefühl hatte, meine Arme fallen ab. Das nahm ich gerne in Kauf, denn aus den Kriecherln wollte ich Sirup machen – für den Spritzwein.
Doch der Sirup war dem Spritzwein (und mir) nicht vergönnt. Stattdessen war es Marmelade, die ich da in Flaschen gefüllt hatte. Aber: Kriecherl wären nicht Kriecherl, wenn diese Marmelade nicht supergeilibumbumgut geworden wäre. Das ist das Tolle an Kriecherln: Sie sind hart im Nehmen und kein Tussi-Obst.
Das bestätigte sich auch zuletzt in der Prater-Hauptallee, als ich beim Zaun zum Stadion-Bad einen voll behängten Kriecherl-Baum entdeckte. Dass mir bei dessen Anblick das Herz aufging, dürfte auch der Handwerker vom Stadion-Bad bemerkt haben. "Wüst leicht a boa?" fragte er mich und wartete gar nicht auf meine Antwort. Er nahm einen großen Ast und steckte ihn durch das enge Zaun-Gitter zu mir durch. Kriecherln wären keine Kriecherln, wenn sie nicht auch diese Aktion unbeschadet überstanden hätten. Und Wien wäre nicht Wien, wenn einem nicht manchmal so etwas Nettes passieren würde.