Nicht im Stadion
Fanatiker verwechseln allzu oft ein Opernhaus mit einem Fußballstadion.
über den Eklat nach "La Triviata" in der Scala
Als Piotr Beczala nach Violettas Tod wieder auf die Bühne der Scala kam, konnte er es selbst sichtlich nicht fassen: Statt mit einem (erwarteten) Schlussapplaus wurde er, der Alfredo in Verdis „La Traviata“, von Teilen des Publikums mit Buhs verabschiedet. Er lachte verlegen, verbeugte sich aber dennoch höflich.
Tags darauf reagierte er auf seiner Facebook-Seite, mehr enttäuscht als beleidigt, und kündigte an, nach dieser Aufführungsserie nicht mehr am berühmten italienischen Opernhaus zu singen.
Er ist nicht der Erste, der das tut. Auch seine ebenso renommierten Kollegen wie Cecilia Bartoli oder Roberto Alagna hatten Konsequenzen aus der Ablehnung des Mailänder Publikums gezogen.
Nicht nur der Autor dieser Zeilen, auch der Direktor der Wiener Staatsoper konnte die Buhs für Beczala nicht nachvollziehen. Der polnische Tenor, ein Publikumsliebling in Wien, an der New Yorker Metropolitan Opera und an vielen anderen Opernhäusern, ist (auch, wenn er diesmal das hohe C in der Cabaletta nicht sang) zurzeit der denkbar beste Alfredo: Enorm musikalisch, kultiviert, mit einem traumhaft schönen Timbre gesegnet. Wer in dieser Partie lieber einen Sänger wie etwa Vittorio Grigolo hört, ist selber schuld.
Beczala hat auch völlig recht, dass er so reagiert: Mit Opernliebhabern (und deren Kritik) setzt man sich ja gerne auseinander, bei Fanatikern ist das aussichtslos. Sie verwechseln allzu oft ein Opernhaus mit einem Fußballstadion.