Meinung/Kolumnen/Knecht

Lenz-Luft wäre gesünder, aber

Und keiner tut etwas dagegen

Doris Knecht
über Rezepte gegen die Kälte

Wer hat das nochmal gesagt? "Jeder spricht über das Wetter, aber keiner tut etwas dagegen." Marc Twain, genau. War auf Facebook zu lesen. Auf Facebook ist derzeit überhaupt viel übers Wetter zu lesen und nichts davon ist nett.

Kein Wunder, keiner will raus, wenn es Ende März unter null Grad hat und der Schnee vom Himmel fällt; also bleiben die Menschen in geheizten Innenräumen und lassen ihren Frust am Computer aus und in den Computer hinein.

Der Frust ist groß und er wird immer größer. Zuerst wollte es nur nicht Frühling werden, jetzt ist es endgültig wieder Winter und wird zusehends winterlicher. Gestern puderte der Schnee den Balkon nur zart, heute bedeckt ihn eine zwei Zentimeter-Schicht. Die Menschen stellen statt Bärlauchgerichten Weihnachtsrezepte auf Facebook, dicke Suppen aus Wurzelwerk mit wärmenden Gewürzen darin, Chili, Ingwer, Zimt, Muskat, Cardamom und Curry. Sie essen zu viel Kuchen mit zu viel Schokolade, anstatt, wie es sich um diese Jahreszeit eigentlich gehören würde, mit ihren Kindern und Enkeln Spaziergänge oder Waldläufe durch die milde Frühlingsluft zu machen, Himmelschlüssel zu pflücken und die Krokusse in ihrer Farbenpracht zu bestaunen.

Es gibt keine Krokusse jetzt, und falls es sie gibt, kann man sie nicht sehen, weil sie unter einer boshaften, kalten, weißen Schicht begraben sind. Abends stehen die Menschen auf ihren Balkonen oder vor den Lokalen, frieren, zittern und rauchen zu viel, damit sie etwas Warmes in die Lunge kriegen. Lenz-Luft wäre gesünder, aber.

Und jetzt kommt Ostern, und jeder hat schon die Hoffnung aufgegeben, die Ostereier in grüner Wiese leuchten zu sehen. Grün! Wo ist das Grün? Wo ist das fette, saftige, frisch strahlende Frühlingshellgrün, dass wir uns nach diesem endlosen Winter, nach all der grauen Kälte, längst verdient haben? Es schneit jetzt schon seit einem halben Jahr, schreibt einer auf Facebook. Ja. Und es schneit immer weiter. Und keiner tut etwas dagegen.