Meinung/Kolumnen/Knecht

Verletzen, verunsichern, einschüchtern

Und man fragt sich wieder einmal: Woher kommt dieser Hass?

Doris Knecht
über Internet-Hass

Der Internet-Hass hat ein neues Opfer: diesmal wird eine ORF-Journalistin beschimpft, beleidigt und bedroht. Es ist beängstigend.

Und man fragt sich wieder einmal: Woher kommt dieser Hass? Ist dieser Hass auch da, wenn das Internet ihm kein Forum bietet? Oder entsteht er erst im Netz, wird geschürt durch die Akklamation anderer Hasser, die die jeweils brutalsten Angriffe beglückwünschen und sich gegenseitig weiter hochputschen?

Sie, Kommentiererin und Kommentierer, sagen vielleicht, dass man das als öffentliche Person aushalten muss, besonders als JournalistIn. Aber wissen Sie, was passiert, wenn Journalistinnen und Journalisten für kritische oder kontroversielle Beiträge permanent beschimpft, beleidigt, fertiggemacht und bedroht werden? Es hat Erfolg.

Viele schreiben dann nächstes Mal lieber nicht mehr zu dem Thema, ersparen sich den politischen Kommentar, behalten ihre Meinung lieber für sich. Nur die sehr Tapferen und die ganz Dickhäutigen tun sich das noch an. Die anderen schreiben, berichten und diskutieren lieber Themen, für die sie nicht gehasst und beschimpft werden. Und das hat Einfluss auf die Qualität des Journalismus.

Der Internet-Hass – Hass, nicht Kritik – verletzt, verunsichert und schüchtert ein. Und das soll er ja auch: Nicht zufällig sind auffällig oft öffentliche Frauen mit einer eigenen Meinung die Opfer dieses Hasses.

Ja, stimmt schon, man darf als Journalist nicht wehleidig sein, das ist Teil des Jobs, man wird dafür gut bezahlt. Das heißt aber nicht, dass Verletzungen nicht schmerzen, Beleidigungen nicht treffen und Drohungen nicht Angst machen. Und das führt zu Vermeidungsreaktionen: Es bringt JournalistInnen zum Schweigen.

Wer weiterhin vielfältigen, kritischen, mutigen Journalismus will, der Haltung, Meinung und Kontroverse nicht scheut, wer an unerschrockenen Interviews und brisanten TV-Debatten interessiert ist: Der sollte den nächsten Hass-Kommentar noch einmal überdenken.