Meinung/Kolumnen/Im Bild

Strafmildernd

Im TV mimt Sido den geläuterten Ehemaligen, im echten Leben den ehemaligen Geläuterten.

Philipp Wilhelmer
über Sido, seine Naklage und die "Große Chance".

Ein Jahr ist es her, da beendete der ORF in einer Notaktion die Zusammenarbeit mit Sido. Der Rapper hatte nämlich ein rollenkonformes Nach-Finale zur „Großen Chance“ geliefert, als er den damaligen ORF-Society-Reporter Dominic Heinzl mit seiner Rechten touchierte und ihm dabei „einen zumindest mittelkräftigen Schlag“ verpasste, wie später ein Gutachter befand. Heinzl ging im Studio zu Boden, Sido flog aus demselben.

Der Schock war groß, im ORF aber setzte man auf Resozialisierung: Sido entschuldigte sich und durfte wieder mitmachen. Für den Deutschen, der mit Songtexten reüssierte, die an dieser Stelle nicht einmal auszugsweise wiedergegeben werden können, weil sie brutal, ordinär, herabwürdigend, gewaltverherrlichend und menschenfeindlich sind, geht das Spiel seither weiter: Im TV mimt er den geläuterten Ehemaligen, im echten Leben den ehemaligen Geläuterten.

Ende April war wieder ein Auftritt von Rolle zwei gefragt. Sido traf in seinem natürlichen Biotop, einem Berliner Club, auf einen Kontrahenten. Der Abend endete wie ein Sido-Song: Der Mann bekam eine Wodkaflasche über den Kopf gezogen. Ein Berliner Gericht brütet gerade über einer möglichen Anklage wegen Körperverletzung.

Dabei hat Sido die Höchststrafe ohnehin schon ereilt: Als ehemals angesagter Rapper in einer österreichischen Castingshow den bösen Clown im Kapuzenpulli zu spielen, sollte eigentlich als mildernder Umstand gelten.