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So schnell wird man Geisel

Kaum ein General musste sich in politischen Manövern so weit strecken wie Wrabetz.

Philipp Wilhelmer
über die "Geiselliste" von ORF-Chef Alexander Wrabetz.

Die ORF-Führung macht ihre Drohungen wahr und schickt Geisel um Geisel vor, um die Refundierung von der neuen Regierung zu erpressen. Man muss mit allzu drastischen Sprachbildern sehr aufpassen. Das Wort „Geiselliste“ ist so eines. ORF-Chef Alexander Wrabetz hat damit recht offenherzig die Liste jener öffentlich-rechtlichen Kernbereiche bezeichnet, mit denen man die Politik erpressen kann. Die Logik ist einfach: Wenn der ORF zu seinem Budget nicht doch noch ausnahmsweise zusätzliche Gelder in Millionenhöhe bekommt, dann wird gespart. Und zwar dort, wo ohne Gebührengelder wirklich jemand auf der Strecke zu bleiben droht. In den vergangenen Wochen schickte Wrabetz also Geisel um Geisel vor, um der Politik zu demonstrieren: Seht her, wir lassen Randsportarten bluten, kleine Kulturfestivals, die heimische Filmszene, unsere eigenen Spezialsender ORF III und Sport+ und viele mehr. Her mit dem Geld!

Dass Wrabetz den Ausdruck Geisel verwendete, hat eine gewisse Logik: Kaum ein General musste sich in politischen Manövern so weit strecken wie er, um doch noch im Sessel zu bleiben – und er schaffte immerhin eine Wiederwahl. Dass die Koalitionäre hinter verschlossenen Türen nun wieder laut darüber nachdenken, ihn nun ein für alle mal abzusetzen, lässt zwei Szenarien offen: Rückgrat zeigen oder neue Zugeständnisse an die Politik machen. So gerät man selbst plötzlich zur Geisel.