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Rubel, aber kein Jubel

Denn noch nie, sagt Kollege Sergej aus Moskau, war eine russische Nationalelf so unbeliebt.

Wolfgang Winheim
über den "Heimvorteil" der Russen

Bis zu Sepp Blatters endgültigem Rücktritt wird täglich irgendein FIFA-Skandal aufgedeckt werden. Gleichgültig, ob die Zeugen halten oder nicht. Konträr zur Moral der FIFA-Bonzen wird das Spielniveau immer besser. Das haben Barcelona und Juventus im Champions-League-Finale eindrucksvoll bewiesen.

Auch in Russland, wo Verbandspräsident Tolstych abgesetzt wurde, dominiert Korruption. Auch dort lässt das Funktionärs-Hickhack die Profis kalt, zumal der Sieben-Millionen-Euro-Teamchef Fabio Capello immer noch im Amt ist. Die Reaktion des Moskauer Publikums könnte das Österreich-Match indes beeinflussen: Gelingt den Russen nicht rasch ein Tor, droht gar ein Heimnachteil. Denn noch nie, sagt Kollege Sergej aus Moskau, war eine russische Nationalelf so unbeliebt.

Im Gegensatz zum ÖFB-Team, das Marcel Koller ausnahmslos aus Legionären bilden kann, gehört Capellos Kader kein einziger Auslandsprofi an. Dies ist aber primär auf die Topgagen in der russischen Liga zurückzuführen. Warum soll ein Kicker die gewohnte Umgebung verlassen, wenn daheim dermaßen der Rubel rollt? So kassiert Dinamo-Stürmer Kokorin fünf Millionen jährlich. Angeblich in Euro. Das von Sparzwängen gebeutelte Volk ist wütend ob solcher obszönen Summen. Und Reporter, die nur noch halb so viel verdienen wie im Vorjahr, können den Zorn nachvollziehen. Sie werden ihre Laptops in Salzsäure tauchen, wenn gegen Österreich nicht …