Grün-rot-blauer Populismus
Von Martina Salomon
562.552 Österreicher möchten offenbar auch ihren eigenen "Wallonen-Moment" haben: ein gallisches Dorf blockiert den europäisch-kanadischen Handelspakt. Na toll. Ausgerechnet Österreich, das mehr als jeden zweiten Euro im Ausland verdient! Eine schräge Allianz aus Blau/Grün/roter Bürgermeister/Boulevardblatt/Handelskonzern hat den elften Platz aller heimischen Volksbegehren und damit ein erstaunlich gutes Ergebnis erreicht.
Oder vielleicht doch gar nicht so erstaunlich: Denn genau diese Stimmung hat ja auch anderswo schon zu rein emotionalen Entscheidungen geführt: siehe Brexit oder die Wahl von Donald Trump. "America first", o. k. Aber "Austria first"? Blicken die heimischen CETA-Kritiker eigentlich auch manchmal über den Rand ihrer Hildegard-von-Bingen-Teetasse? Mit wem sonst können wir Handel treiben, wenn nicht mit einem aufgeklärten, sozial stabilen Land wie Kanada?
Oder wollen wir eine Einbahnstraße für unsere Industrie und unsere Landwirtschaft? Sprich: Wir liefern Autoteile, Seilbahnen, Maschinen und Red Bull in die ganze Welt, Finanzdienstleistungen nach Russland, Schweinsohren sowie Milch nach China. Aber umgekehrt lassen wir den Rollbalken runter? Die EU hat insgesamt rund 50 Freihandelsabkommen, 30 sind in Kraft, 20 werden verhandelt oder gerade modernisiert (etwa mit der Türkei). Frage: Wenn wir schon bei Kanada den Teufel an die Wand malen, warum dann nicht bei den EU-Abkommen mit Südkorea, Kolumbien oder Ghana? Antwort: Weil es nur um Symbolpolitik geht.
Die gute Nachricht: Trotz unglaublich industriefeindlicher Stimmung im Land sind österreichische Produkte innovativ genug, um sich am Weltmarkt zu behaupten. Die schlechte: Unsere Importe (auch im Lebensmittelbereich) wachsen mittlerweile stärker als die Exporte. Was bedeutet: Wir brauchen im Grunde mehr und nicht weniger Freihandel. Wer das ausspricht, wird nicht geliebt: eine harte Nuss für den Kanzler. Er wird sie knacken müssen. Und am Ende wird hoffentlich nicht der grün-blaue Populismus siegen.