Glühwürmchen- statt Leuchtturm-Politik
Von Martina Salomon
Die Gefahr ist groß, dass von den angekündigten Leuchtturmprojekten nur Glühwürmchen bleiben.
über die Koalitionsbildung.
Die Gefahr ist groß, dass von den angekündigten Leuchtturmprojekten nur Glühwürmchen bleiben. Und im schlimmsten Fall sogar ein rauchender Schlot – wenn sich Österreich aberwitzigerweise zum letzten Raucherparadies der zivilisierten Welt macht.
Wobei sich auch die Gegner von Türkis-Blau Tag für Tag mehr in Stellung bringen: nicht nur die abgewählte SPÖ, sondern auch die Armada an abgesetzten schwarzen Ministern und Funktionären. Da wurden viele gekränkt. Sie alle werden kein gutes Haar an Reformen lassen, selbst wenn sie diese noch vor kurzem selbst forderten. Beispiel leistungsfördernder Lohn für Lehrer. Geht nicht? Aber warum sollen Direktor(inn)en nicht einen Teil der Gehälter freihändig für Boni vergeben können?
Seit Jahrzehnten wird auch mehr Effizienz im Gesundheitswesen eingemahnt. Jetzt gibt es einen bescheidenen Versuch, Sozialversicherungsträger zusammenzulegen und die Macht von Gewerkschafts- und Wirtschaftsfunktionären in den Kassen einzudämmen. Das kann nicht alles gewesen sein und spart nicht das große Geld. Mit (sehr) gutem Willen kann man es jedoch als ersten Schritt gelten lassen (der Rest wird gerade in "bewährter" Weise föderalistisch abgemurkst). Im zum Teil völlig überlaufenen Spitalswesen wünscht man sich übrigens die Rückkehr zur Ambulanzgebühr. Aber wenn sich Sebastian Kurz das traut, dann wird er dafür genauso wie seinerzeit Schwarz-Blau als asozial gebrandmarkt.
Und sollte die Regierung den erst kürzlich eingeführten Beschäftigungsbonus wieder abschaffen, werden sich auch jene empören, die ihn noch vor kurzem als reinen Aktionismus kritisierten. Sowohl die EU-Rechtmäßigkeit als auch die Sinnhaftigkeit in einer Phase der Hochkonjunktur sind ja fraglich. (Wer den Bonus abschafft, muss sich allerdings zu Recht den Vorwurf mangelnder Rechtssicherheit gefallen lassen.)
Klar ist, dass die Mindestsicherung reformiert werden muss. Sie hat negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und lässt die Landesbudgets aus dem Ruder laufen. Was umgehend die "soziale Kälte"-Keule aktivieren wird.
Das angepeilte Mehr an direkter Demokratie kann man wiederum durchaus skeptisch sehen. Aber galt hierzulande die Schweiz diesbezüglich nicht seit Jahren als leuchtendes Vorbild?
Schwerer ist es, "Läuse" an der türkis-blauen Umweltpolitik zu finden. Versprochen wurde u.a., dass bis 2030 aller Strom aus erneuerbaren Energiequellen kommen soll. Das ist allerdings auch eine etwas leichtere Übung als zum Beispiel die Anpassung des Pensionsantrittsalters an die steigende Lebenserwartung. Davon hat man noch nichts gehört. Die Gefahr ist groß, dass der Wähler das abstraft: siehe Gerhard Schröder, von dessen schmerzhaften Arbeitsmarktreformen Angela Merkel ewig zehrte.
Es steht zu befürchten (oder zu hoffen – je nach Blickwinkel), dass auch die neue Regierung für manch tief greifende Reform nicht mutig genug sein wird: Die Türkis-Schwarzen, weil sie vermeiden wollen, deshalb durch Sonne, Mond und Sterne geschossen zu werden. Die Blauen, weil sie nicht den Schwarzen Peter kriegen und auch endlich im Establishment ankommen wollen.