Meinung/Gastkommentar

Zum blauen Bock: Tut Kickl Österreich gut?

Er ist wieder da. Herbert Kickl, der Ausgegrenzte, darf nun doch bei der berühmten Tapetentür des Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen ein und aus marschieren und ist auf dem Weg, der erste blaue Bundeskanzler der Republik Österreich zu werden. Eine Funktion, die die Ikone der Rechten, Jörg Haider, nicht erreichen konnte. Was hätte sich der liebe Jörg gedacht, der einst mit südlichem Charme „Er tut Kärnten gut“ voller Selbstsicherheit in dem Bundesland, in dem er Landeshauptmann war, plakatieren ließ? Selbst dem Visionär aus dem Bärental hätte wahrscheinlich die Vorstellungskraft gefehlt, seinen Mann für sauber zubereiteten Tee (gegen die von unzähligen Reden heiser zu werden drohende Stimme) Jahrzehnte später im Kanzleramt zu sehen.

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Tut Kickl Österreich gut? Fakt ist, dass der Lehrling von einst zumindest formell zum Meister mutiert ist. Nur reicht das, um einen gesamten Staat aus einer veritablen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Krise herauszuführen und einen optimistischen Spirit des Aufbruchs und der Veränderung auszustrahlen? Der FPÖ-Chef verfügt über eine scharfe Wahrnehmung, was die Stimmungsströme bei den Wählerinnen und Wählern betrifft. Die Fähigkeit, die viele Politiker und Politikerinnen aufgrund ihrer vermeintlichen Überlegenheit verloren haben, hat er bei seinem einstigen Lehrmeister lernen können: Den Menschen zusehen, zuhören und daraus Schlüsse ziehen, wie sie denken und fühlen. Das alles geht ohne Experten, Umfragen, Coaches und Agenturen. In Bezug auf seine fluide Intelligenz – und hier im Speziellen bezüglich seiner verbalen Leistungsfähigkeit – ist er in der Lage, bestimmte Defizite rund um seine mangelnde akademische Qualifikation zu kompensieren.

Betreffend seines Körperbewusstseins tut sich der FPÖ-Mann durch sein wenig lustbetontes, asketisches Gehabe schwer, ein umgängliches Bild des charmanten Spitzbuben wie einst der Kärntner Landeshauptmann zu zeichnen. Seine empathischen Persönlichkeitsmerkmale wird er in Zukunft mehr zur Geltung bringen müssen, wenn er für Österreich etwas bewegen will. Sein Vorbild Haider konnte Utopien sowie Dystopien an das mentale Firmament seiner Wähler projizieren. Diese Mischung aus positiven und negativen Facetten seiner Existenz machte ein wesentliches Element seiner mentalen Wandelbarkeit aus. Sein einstiger Schüler wird noch unter Beweis stellen müssen, dass er nicht nur eindimensionale Kampagnen und – was noch viel wichtiger ist – eine lebensbejahende Zukunftsvision erschaffen kann.

Kickls größte Stärke liegt bis heute beim Aufzeigen von Defiziten der anderen. Die Frage ist, wie er selbst mit derartigen negativen Kampagnen umgehen kann und ob er selbst schon in den Spiegel der Erkenntnis und nicht nur in die „Phänomenologie des Geistes“ geblickt hat.

Daniel Witzeling ist Psychologe, Sozialforscher und Leiter des Humaninstituts Vienna.