Was tun mit den Wagner-Söldnern?
Divergierende Meldungen über den weiteren Verbleib von Prigoschin und seinen Söldnern sorgen für Verunsicherung. Wie eine glühende Kohle hat sie Putin blitzartig in die Hände Lukaschenkos gelegt. Ein vermeintlich geschickter Schachzug des weißrussischen Präsidenten erweist sich dabei zusehends als gefährlich für ihn und sein Land. Der besondere Ruf der Söldnertruppe beruht auf ihrem brutalen, rücksichtslosen Kampf in der Ukraine sowie ihren Einsätzen in Syrien und afrikanischen Ländern. Ihr Nutzen für Russland war dabei unbestritten.
Allerdings ist sie bereits im Frühjahr 2023 aus der Ukraine abgezogen, die Revolte mit dem abgebrochenen Marsch auf Moskau hat zu einem Vertrauensbruch zwischen Putin und Prigoschin geführt. In der Ukraine sind die Söldner derzeit verzichtbar. Ihre Angriffsaufgaben wurden von russischen Soldaten übernommen, außerdem dominieren derzeit Verteidigungsmaßnahmen. Somit wurde Prigoschin seiner wichtigsten Bühne, dem Ukraine-Krieg, beraubt. Anders sieht es in Afrika aus, z.B. beim Militärputsch in Niger oder in Mali. Dort sind Wagner-Söldner ein probates Mittel, um Moskaus Einfluss und Rüstungsgeschäfte zu stärken und westliche Stabilisierungsbemühungen zu torpedieren. Fernab der Heimat machen sie ihre dubiosen Geschäfte, ohne dem Kreml in die Quere zu kommen.
Aber benötigt man dafür zusätzliche 10.000 Kämpfer? Die Stationierung in Belarus war eine Notlösung, die aber nicht als Dauerlösung taugt. Für das Training der weißrussischen Streitkräfte genügen vermutlich einige 100 Mann für wenige Monate.
Dazu kommt die Frage, wer für den Sold aufkommt. Falls Russland tatsächlich den Geldhahn zudreht, müsste Weißrussland zahlen, eine große Bürde für den notorisch finanzschwachen Staat. Lukaschenko befindet sich daher in einer Zwickmühle. Denn einerseits fühlt er sich Putin verpflichtet, andererseits stellt allein die Präsenz fremder paramilitärischer Einheiten ein erhebliches Sicherheitsrisiko für ihn und sein Land dar. Ein dauerhafter Aufenthalt der Söldnertruppe kann daher nicht in seinem Interesse liegen. Auch für Prigoschin kann Belarus nur eine Übergangslösung sein. Fraglich ist allerdings, ob er als wortgewaltiger Kremlkritiker bei der weiteren Entwicklung noch eine entscheidende Rolle spielen kann. Die Zukunft Prigoschins und der Wagner-Söldner hängt davon ab, ob sie für Putin noch von Nutzen sind. In Afrika steht das außer Zweifel, in der Ukraine ist das (derzeit) nicht der Fall. In Russland stellen sie eine innenpolitische Gefahr dar, auch eine Auflösung oder starke Reduzierung der Wagner-Truppe wäre ein Sicherheitsrisiko. Schließlich handelt es sich um tausende kriegserprobte, teils schwer kriminelle, bewaffnete Männer unter zentralem Kommando. In Belarus wiederum könnten sie ein Trumpf gegenüber Lukaschenko und ein Unruhefaktor vis-a-vis Polen und Litauen sein. Die kommenden Wochen werden zeigen, welche Erwartungen der Kreml hinsichtlich der Söldnertruppe hat und welche Zukunft Prigoschin erwartet.
Walter Feichtinger ist Präsident des Center für Strategische Analysen (CSA)