Meinung/Gastkommentar

Von Welt statt „neuer Stil“

Nach mehr als einem Vierteljahrhundert als Präsidentin verlässt Helga Rabl-Stadler die Bühne der Salzburger Festspiele. Auf Twitter hat die Schauspielerin Verena Altenberger sie trefflich charakterisiert: „Wie solidarisch, großartig, wunderschön, weltbewegend und kompetent kann man sein?“

Völlig zu Recht streut man der scheidenden Präsidentin Rosen von allen Seiten. Die Schuhe für die nun offene Nachfolge sind groß. Gerade weil das so ist, erstaunt es mich, dass man nicht den Mut gefunden hat „out of the box“, prinzipiell und unkonventionell über das Präsidentenamt nachzudenken: Braucht es neben Intendanz und kaufmännischer Leitung tatsächlich eine zusätzliche Repräsentationskraft?

Aber diese Diskussion ist müßig, die Würfel, wer Helga Rabl-Stadler nachfolgen soll, rollen bereits. 32 Bewerbungen sind in Salzburg eingegangen. In die Spannung mischt sich bei mir eine gehörige Portion Skepsis. Wobei eine Portion ehrlich gesagt zu kurz greift, meine Skepsis hat eher Ausmaß eines Gelages. Sie speist sich aus zwei Quellen: Dem türkisen Postenschacher der jüngeren Vergangenheit und dem traditionellen schwarzen Hang zur Provinzposse.

Die Salzburger Festspiele sind weltbekannt und weltbedeutend. Für viele Menschen sind sie das weltbeste Festival der Opern- und Schauspielkunst, aber ebenso des Konzerts. Gerade die Corona-Krise hat uns gezeigt, dass Kunst mehr ist als ein unnützes Ornament, sie ist eine Notwendigkeit!

Mensch von Welt

Das Amt der Präsidentschaft verlangt nach einer Frau oder einem Mann von Welt. Markus Hinterhäuser und Lukas Crepaz leisten künstlerisch und kaufmännisch ausgezeichnete Arbeit. Sie brauchen jetzt eine Person an ihrer Seite, die ihnen den Rücken freihält und die künstlerische Unabhängigkeit forciert. Hervorragende internationale Netzwerke und exzellente Kenntnisse des internationalen Kunst- und Kulturlebens sind jedenfalls höher zu bewerten als Lokalkolorit.

In John Frankenheimers Film „Ronin“ sagt Robert De Niro sinngemäß: „Man ist entweder ein Teil des Problems oder ein Teil der Lösung. Oder nur ein Teil der Landschaft.“ In diesem Sinne wünsche ich mir von Mitgliedern des Kuratoriums, dass sie bei der Besetzung der Präsidentschaft der Salzburger Festspiele weder Teil des (politischen) Problems noch der Landschaft sind. Sie sollen mutig eine Frau oder einen Mann von Welt betrauen.

Ein abschließendes Wort zu Salzburg: Ich bin der Meinung, dass die Chancen unserer Gesellschaft in Solidarität, Aufklärung, Wissenschaft und Kunst bestehen, nicht im Gegenteil.

Das gilt nicht nur, aber auch für die Pandemiebekämpfung.

Thomas Drozda war 2016 und 2017 Minister für Kunst und Kultur.