Und wenn es sich um dienstliche Chats handelt?
Die mediale Veröffentlichung von Chat-Nachrichten hat viele Akteure in die Bredouille und damit viel Bewegung in die österreichische Innenpolitik gebracht.
Peter Zöchbauer weist in seinem Gastkommentar vor einer Woche darauf hin, dass aus juristischer Sicht nicht jede Veröffentlichung „zu rechtfertigen ist“. Dem kann ich nur zustimmen. Ja, die Medienfreiheit ist nicht absolut und fehlendes Bewusstsein und handwerkliche Fehler im Umgang mit Persönlichkeitsrechten sind ein Dauerbrenner in der medialen Berichterstattung. Beim von Zöchbauer postulierten Vorrang der Privatsphäre im Umgang mit Chats ist es mit der Einigkeit aber auch schon wieder vorbei.
Er vertritt die Ansicht, dass die Frage, ob ein ehemaliger Parteichef seinen Vorgänger „in privater Kommunikation“ gegenüber einem Dritten beschimpft hat, aus juristischer Perspektive ohne Nachrichtenwert sei. Die Veröffentlichung dieser Chats sei daher nicht zulässig.
Das würde zuallererst voraussetzen, dass die Chats überhaupt als private Kommunikation einzuordnen und damit des durch Art 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützten Privatlebens zuzurechnen sind. Es handelt sich dabei aber um gar keine private, sondern um eine dienstliche Kommunikation mit dem damit verbundenen Nachrichtenwert.
Dazu kommt, dass bei öffentlich bekannten Personen in der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art 8 MRK ein differenzierter Maßstab angewendet wird. Sogar Aspekte des Privatlebens begründen Informationsrechte für die Öffentlichkeit, insbesondere wenn sie Aufschluss über die Ausübung eines Amtes geben.
Das heißt: Auch die Veröffentlichung von Chats, die der Privatsphäre zugerechnet werden, kann im überwiegenden öffentlichen Interesse zulässig sein.
Selbst wenn Chats wie Briefe geschützt werden würden, würde sich daran wenig ändern. Entscheidend bleibt, dass nicht nur Veröffentlichungen über eine „unbekannte mögliche vorsätzliche Straftat“, wo Zöchbauer offenbar die Grenze ziehen möchte, von öffentlichem Interesse sein können, sondern zum Beispiel auch Informationen zu tatsächlich gepflegten politischen Umgangsformen.
In diesem Sinn hat auch der Presserat 2021 die Veröffentlichung einer SMS vom damaligen Kanzler Sebastian Kurz an seinen Vizekanzler Strache mit dem Inhalt „Verkauf mich nicht für deppert!“ als zulässig angesehen. Nur dann, wenn höchstpersönliche Nachrichten von öffentlich bekannten Personen vorliegen, wird die Abwägung daher eher zugunsten der Privatsphäre ausgehen.
Mit einem Chat-Pranger hat das nichts zu tun. Die Veröffentlichung von Chats aus dem dienstlichen Bereich insbesondere von Regierungsmitgliedern schafft Transparenz - ein dringendes soziales Bedürfnis („pressing social need“) in einer demokratischen Gesellschaft.
Davon können wir gar nicht genug bekommen.
Maria Windhager ist Medienanwältin in Wien