Meinung/Gastkommentar

Startet den Job-Motor Energiewende!

Brauchen wir im Autoland Österreich noch mehr PV-Anlagen und Windräder oder verschandeln die nicht eh nur das schöne Landschaftsbild? So kann man zynisch die aktuelle politische Debatte über die Energiewende zusammenfassen. In Sonntagsreden sind wir Energiewende-Champions – sie darf halt nichts kosten und sehen darf man sie schon gar nicht…

Wer angesichts von Unwettern, Jahrhundert-Flutwellen oder tropischen Wiener Sommernächten schon im April die drohende Klimakatastrophe weiter leugnet, dem ist nicht zu helfen. Wer einen schnellen Ausstieg aus Öl und Erdgas blockiert, dem sind, so scheint’s, auch heimische Arbeitsplätze nicht wirklich wichtig.

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Österreich steckt hartnäckig in einer Rezession und das offensichtlich noch länger. Die Wirtschaft schrumpft das vierte Quartal in Folge, zuletzt um 1,1 Prozent. Gleichzeitig steigt die Arbeitslosigkeit – im Mai um 9,5 Prozent. Was also tun? Förderprogramme oder weitere Milliarden-Pakete schnüren?

Oder eine verwegene Idee: Die österreichische Politik könnte die Ärmel aufkrempeln, den Wirtschafts- und Beschäftigungsmotor Energiewende anwerfen und so Hunderttausende Arbeitsplätze schaffen. Illusorisch? Bis 2040 soll Österreich klimaneutral sein. Das bedeutet: Raus aus Öl und Gas in Wirtschaft, Industrie und Verkehr. Dafür braucht es immens mehr Erneuerbaren-Strom aus PV, Wind, Wasser und Bioenergie – es braucht aber auch starke Netze, die diesen Strom transportieren können.

Laut Netzbetreibern kostet dieser Ausbau mehr als 50 Milliarden Euro, die Hälfte davon als Investition in die Energiewende. Viel Geld. Zu viel Geld, werden manche kritisieren. Sie vergessen aber, dass wir alleine im Vorjahr 18 Milliarden Euro für Erdöl und russisches Gas ausgegeben haben. Diese Milliarden sind regelrecht verbrannt, während den Netz-Investitionen reale Werte gegenüberstehen – nämlich eine Energieinfrastruktur der Zukunft. Und: Die Investitionen schaffen und sichern in Österreich 240.000 Arbeitsplätze. Zum Vergleich: Das entspricht der gesamten Metallindustrie oder der Gastronomie und Hotellerie im Winter. Mehr als 75 Prozent dieser Wertschöpfung wird in Österreich bleiben und zudem zig Milliarden an Steuern bringen. Es ließen sich noch viele weitere Beispiele nennen, in der PV-Branche oder in der Windkraft. Es besteht die große Chance auf Hunderttausende hoch qualifizierte Arbeitsplätze.

Machen wir uns nichts vor: Europa, und damit Österreich, hat die Green Tech-Entwicklungen beinahe verschlafen. Mehr als ein Drittel des chinesischen Wachstums entfällt exakt auf diesen Bereich. Das können wir beklagen, wir können uns einigeln und abschotten. Oder wir können endlich die Chancen ergreifen, die der Wirtschaftsmotor Energiewende bietet. Dafür braucht es den politischen Willen aller Parteien im Nationalrat. Das vermisse ich zurzeit…

Vera Immitzer ist Geschäftsführerin des Bundesverbands Photovoltaic Austria