Meinung/Gastkommentar

Renaturierung als umweltpolitische Pflicht

Ganz Österreich ächzte unter einem extremen Hitzesommer: Es wurden so viele Tropennächte verzeichnet wie nie zuvor. Die Auswirkungen der Klimakrise werden Jahr für Jahr offensichtlicher. Unwetterkatastrophen kosteten wieder Menschenleben. Auch die heimische Landwirtschaft leidet unter Dürreperioden und Starkregen.

Der beste Verbündete gegen die Klimakrise ist und bleibt eine intakte Natur. Doch auch die Natur steckt in einer Krise: Bestäuber schwinden, Borkenkäfer richten immer größere Schäden an und Ökosysteme kollabieren. Derzeit sind in Österreich 80 Prozent der geschützten Flächen in einem schlechten Zustand.

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Im vergangenen Juni beschlossen 20 EU-Mitgliedsstaaten ein bahnbrechendes Gesetz, das die Folgen der Klima- und Artenkrise abfedern soll. Das Renaturierungsgesetz verpflichtet EU-Mitgliedstaaten dazu, bis 2050 geschädigte Ökosysteme wiederherzustellen. Das bedeutet: Moore wiedervernässen, Flussufer renaturieren, Wälder aufforsten und Städte begrünen. Renaturierung schützt nachgewiesenermaßen effektiv vor Hochwasser, fördert die Biodiversität und bringt Kühlungseffekte mit sich.

Eine besondere Rolle spielt dabei Umweltministerin Leonore Gewessler. Ihre Stimme für das Renaturierungsgesetz war ausschlaggebend für den Beschluss. Die ÖVP reagiert mit einer Kampagne voller Sabotage und Desinformation. Gezielt wurde Angstmache betrieben: So warnte die ÖVP davor, dass Landwirt:innen künftig Schmetterlinge zählen müssen, und behauptete, dass die heimische Ernährungssicherheit gefährdet sei. Dabei ist Ernährungssicherheit ein wichtiges Ziel des Renaturierungsgesetzes. Die Populationen von Schmetterlingen und Vögeln können gute Messinstrumente der Artenvielfalt sein. Aber laut Verordnung müssen nicht einzelne Landwirtinnen und Landwirte solche Zählungen organisieren, sondern die Mitgliedstaaten.

Was tatsächlich unsere Ernährung bedroht, sind versiegelte Flächen. 95 Prozent aller verbauten Flächen sind fruchtbare Böden wie Äcker und Wiesen. Seit den Achtzigerjahren ist eine Fläche an landwirtschaftlichen Nutzflächen verloren gegangen, die fast so groß ist wie das gesamte Burgenland. Mit diesen Äckern, Weiden und Wiesen könnte man 1,36 Millionen Menschen ernähren.

Die ÖVP-Kampagne gipfelte in einer Amtsmissbrauchsanzeige gegen Gewessler. Es ist sogar für Laien unbegreiflich, warum der Beschluss eines bedeutenden europäischen Umweltschutzgesetzes durch eine Umweltministerin einen Amtsmissbrauch darstellen soll. Auch Juristinnen und Juristen bewerten diese Anzeige als rechtlich unhaltbar. Die ÖVP sollte auf Expertinnen und Experten hören und sich darauf konzentrieren, das Gesetz umzusetzen, anstatt die Ministerin und das Renaturierungsgesetz zu sabotieren.

Ursula Bittner ist Artenschutzexpertin bei Greenpeace Österreich