Meinung/Gastkommentar

Ein globaler Stresstest für die Klimapolitik

2023 wird das heißeste Jahr der letzten 125.000 Jahre sein, so viel lässt sich anhand der vorliegenden Daten bereits jetzt mit großer Sicherheit sagen. Die Auswirkungen sind rund um den Globus spürbar. Ausgedehnte Hitzewellen, wochenlange Waldbrände und Überflutungen gehören mittlerweile zur „neuen Normalität“. Wir stehen am Beginn einer Beschleunigung extremer Wetterereignisse.

Vor diesem Hintergrund findet auf der diesjährigen Klimakonferenz COP28 in Dubai die im Pariser Klima-Übereinkommen vorgesehene erste „Globale Bestandsaufnahme“ statt. Diese ähnelt einem globalen Stresstest für die Klimapolitik. Ist die Staatengemeinschaft tatsächlich auf dem Weg zum 1,5-Grad-Limit? Wie sind die bisherigen Anstrengungen zu bewerten? Spoilerwarnung! Wir sind absolut nicht auf Kurs. Es gibt eine große Lücke zwischen den steigenden CO2-Emissionen und dem wissenschaftlich erforderlichen Minderungspfad. Genauso wie bei einem negativen Stresstest in der Finanzwirtschaft ist jetzt eine ungeschönte Bilanz notwendig, die zu einer überfälligen Kurskorrektur führt.

Was bedeutet das konkret für die COP28? Alle Staaten müssen ihre nationalen Klimaschutzpläne für 2030 rasch nachbessern und für 2035 ambitionierte Ziele im Einklang mit dem 1,5-Grad-Limit festlegen. Nur so lässt sich die Lücke zwischen Ambition und Realität schließen. Dazu braucht es verbindliche Vorgaben und eine stärkere Rechenschaftspflicht, die nicht nur Staaten, sondern auch große Unternehmen trifft.

Ein weiterer Knackpunkt ist die Festlegung eines Plans für den globalen Ausstieg aus allen fossilen Energieträgern bis spätestens 2050. Rückblickend mutet es absurd an, dass Kohle, Öl und Gas erst auf der Klimakonferenz in Glasgow im Jahr 2021 ins Zentrum der Diskussionen rückten. Bis dahin waren fossile Energieträger – immerhin für rund 75 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich – der sprichwörtliche „Elefant im Raum“. Durch den Umstand, dass die COP28 mit den Vereinten Arabischen Emiraten einen Erdöl produzierenden Staat als Gastgeber hat und der COP-Präsident gleichzeitig Chef des staatlichen Ölkonzerns ist, entstand im Vorfeld ein politisches Momentum für den Ausstieg. Ein wichtiges politisches Signal der COP28 wäre zudem die Verankerung des Ziels der Verdoppelung der Energieeffizienz sowie die Verdreifachung beim Ausbau der erneuerbaren Energien bis 2030.

Wir können uns keine weitere schwache Klimakonferenz wie im Vorjahr in Ägypten leisten. Die Frage vor der COP28 lautet daher: Geht es vorwärts oder rückwärts in der Klimapolitik? Derzeit gibt es Kräfte in beide Richtungen. Die „Globale Bestandsaufnahme“, auf halbem Weg zwischen dem Pariser Klima-Übereinkommen 2015 und dem Jahr 2030, ist damit ein wichtiger Test für die Ernsthaftigkeit der Staatengemeinschaft, die Klimaziele für 2030 zu erreichen. So wie es in Paris eine globale Einigung über die Dringlichkeit der Klimakrise gab, braucht es in Dubai eine Einigung über ihre Lösung: den Ausstieg aus fossilen Energien.

Thomas Zehetner ist Klimaexperte des WWF und reist zur COP28 nach Dubai