Meinung/Gastkommentar

Die Wahl der Qual: Mächtige Kammern

Am 29. September hatten 6,3 Millionen Österreicherinnen und Österreicher die Möglichkeit, 183 Abgeordnete des Nationalrats zu bestimmen. Doch viele fragen sich: Wird das nun vorliegende Wahlergebnis wirklich Veränderung bringen – oder bleibt alles beim Alten?

In Österreich zeigt sich ein Problem, das tief in der politischen Struktur verankert ist: das Kammersystem. Dieses System, bestehend aus einer Vielzahl von Kammern wie der Wirtschaftskammer, der Arbeiterkammer und den verschiedenen Berufskammern, besitzt enormen Einfluss auf politische Entscheidungen – oft auf intransparente Weise.

Die finanzielle Macht der Kammern ist beeindruckend: Die Wirtschaftskammern verfügten 2020 über ein Eigenkapital von 1,65 Milliarden Euro, während die Arbeiterkammer 527 Millionen Euro angesammelt hat. Diese Gelder, größtenteils aus Mitgliedsbeiträgen, werden nicht immer im Sinne der Mitglieder verwendet. Vielmehr fließen sie oft in aufgeblähte Verwaltungsapparate und luxuriöse Gehälter. Die Kammern agieren hier wie mächtige Unternehmen, deren Hauptzweck die Selbsterhaltung zu sein scheint und nicht nur die Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder.

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Geldflüsse

Ein besonders umstrittener Punkt ist die Fraktionsförderung innerhalb der Kammern. Jährlich werden 33 Millionen Euro an Fraktionen ausgeschüttet – mehr als die Parteienförderung des Bundes. Diese intransparenten Geldflüsse stärken vor allem die Macht der traditionellen Großparteien und schaffen ein System der Abhängigkeiten, das die Demokratie untergraben kann. Die Kammern sind dadurch in der Lage, Reformen zu blockieren, die nicht in ihrem Interesse liegen, und so den politischen Stillstand zu zementieren.

Damit sich in Österreich wirklich etwas ändert, ist eine umfassende Reform des Kammernsystems notwendig. Die Kammern müssen verpflichtet werden, ihre Finanzen und die Verteilung der Fraktionsförderungen offenzulegen. Eine unabhängige Kontrolle der Geldflüsse ist unerlässlich, um Intransparenz und möglichen Missbrauch zu verhindern.

Zudem sollte die Mitgliedschaft in den Kammern freiwillig werden, um den Zwangscharakter aufzuheben und den Kammern Anreiz zu geben, tatsächlich im Interesse ihrer Mitglieder zu agieren.

Es ist Zeit, dass die Politik den Mut aufbringt, das Kammersystem zu reformieren. Nur so kann Österreich den Herausforderungen der Zukunft mit einem klaren Blick begegnen und die Lebensqualität seiner Bürger verbessern.

Die Bildung einer neuen Bundesregierung bietet die Chance, den Grundstein für eine wahrhaft demokratische Erneuerung zu legen. Die Frage bleibt: Wird diese Chance genutzt?

 

Hans Harrer ist Vorstandsvorsitzender des Senats der Wirtschaft Österreich