Meinung/Gastkommentar

Babler in der Ampel-Falle

Andreas Babler ist ja nicht zu beneiden. Wie bei einem Fußballteam auf der Verliererstraße sind die Zwischenrufe von der Outlinie nicht zu überhören, und auf dem Spielfeld selbst schaut’s nicht so gut aus.

Europa hat gewählt und nur in Rumänien und Malta haben sozialdemokratische Parteien mehr als 40 Prozent der Stimmen erhalten; die spanischen und portugiesischen Sozialdemokraten kamen noch auf über 30 Prozent, ansonsten herrscht in Europa „Genosse Gegenwind“. Das neue EU-Parlament spiegelt genau das Dilemma wider, mit dem auch Babler konfrontiert ist. Die 227 Abgeordneten der Linksparteien, der Sozialdemokratie, der Grünen und der ohnehin weitgehend neoliberal orientierten aber pro-europäischen „Europäischen Erneuerung“ haben zusammen niemals eine Mehrheit der 720 Abgeordneten; und selbst in Österreich kommt nach den Wahlen vom 9. Juni eine rein arithmetische Mehrheit links der Mitte nur auf knapp über 40 %. Was tun, insbesondere auch, wenn bei den Nationalratswahlen voraussichtlich auch die linkspopulistische Konkurrenz der SPÖ zusätzlich Stimmen kosten wird?

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Bablers Hoffnung, mit einer mobilisierten Sozialdemokratie und gegen eine drohende schwarz-blaue Koalition doch noch irgendwie eine Mehrheit links von der Mitte zu finden, führt die österreichische Sozialdemokratie genau in die Falle einer Ampelkoalition, wie sie nun auch in Deutschland zu beobachten ist und die bei den Europawahlen mit nur mehr 31 Prozent abgeschnitten hat.

Aufschluss gibt die World Value Survey mit Umfragedaten aus 88 Ländern der Welt, wenn man mit den 48 wichtigsten Indikatoren in diesen Ländern versucht, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Wertesystemen der Parteianhänger auf diesem Globus festzustellen.

Babler, wenn er Bundeskanzler werden will, muss erkennen, dass es sich gerade bei den Grünen, die in Europa und auch in Österreich auf dem absteigenden Ast sind, um keinen verlässlichen Partner mehr handelt und dass in zentralen Bereichen der politischen Werte die Anhängerschaft der Sozialdemokratie weit weniger extrem ist als die Grünen. In Zeiten stark gestiegener weltpolitischer Spannungen sollte Babler auch wissen, dass in Österreich nur 25 Prozent der Grünen unser Land im strategischen Konfliktfall verteidigen wollen.

Die ÖVP wird sich den Koalitionspartner aussuchen können. Staatspolitisch besteht die absolute Notwendigkeit, eine Koalition unter Beteiligung der Kickl-FPÖ zu verhindern. Betrachtet man die Werte der Anhängerschaft der Sozialdemokratie und der ÖVP, so ergibt sich ein weit größerer Deckungsgrad, als gemeinhin angenommen wird. Babler wäre gut beraten, im Wahlkampf auf die sozialen Grundwerte der großen Religionsgemeinschaften zu verweisen, um nach den Wahlen einen Konsens der sozialen Gerechtigkeit und der sozialen Integration und Reformen zu erreichen. Eine Strategie der Polarisierung wird keine Wahl garantieren und Babler mit der Chancenlosigkeit einer Ampeloption allein im Regen stehen lassen.

Arno Tausch ist Politikwissenschafter.