Meinung/Fußball-WM

Tagebuch: 0:2 und tschüss! Der Weltmeister ist Gruppenletzter

Die erste Nullnummer bei der WM 2018 empörte 78.000 Zuschauer, die bis zu 930 Euro für eine Karte hingeblättert hatten, in Moskau dermaßen, dass sich Frankreichs Stürmerstar Antoine Griezmann danach für das fade Ballgeschiebe entschuldigte. Und Österreich ausnahmsweise kurz ins Gerede kam. Weil das 0:0 zwischen den Fixaufsteigern Dänemark und Frankreich ein bissel an die Schande von Gijón erinnerte.

Gijón? Dazu muss solchen Lesern, die damals wie die aktuellen WM-Spieler (Ausnahme Ägyptens Tormann Essan El Hadary, 45) noch nicht geboren waren, verraten werden:

Deutschland benötigte 1982 in der nordspanischen Stadt einen Sieg gegen Österreich zum Aufstieg. Österreich durfte sich eine knappe Niederlage leisten. Prompt endete das letzte Gruppenspiel 1:0 für Deutschland. Worauf der Nichtangriffspakt von Gijón weltweit noch größeres mediales Aufsehen auslöste als vier Jahre davor das 3:2 von Córdoba. Das 1:0 war vor Anpfiff zwar nicht vereinbart worden, man einigte sich darauf erst im Verlauf des Spiels, zumal einige Österreicher bei deutschen Klubs unter Vertrag standen.

Nur der spätere Italien-Legionär Walter Schachner wollte bei der Packelei nicht mitmachen. Schachner wurde aber von Freund und Feind geschickt in Schach gehalten.

In Nordafrika kannte die Wut keinen Grenzen, blieb doch Algerien wegen der Unsportlichkeit der beiden europäischen Nachbarländer auf der Strecke.

Autos wurden in Algier angezündet, politische Verschwörungstheorien gesponnen, fast die Botschaften gestürmt. Algeriens Fußballer bekamen Heldenstatus, hatten sie doch Deutschland beim WM-Auftakt 2:1 geschlagen und die vermeintliche Basis zum allerersten deutschen Vorrunden-Ausscheiden bei einer WM gelegt.

36 Jahre später war es dann so weit.

Das Spiel gegen Südkorea wird eingehen in die deutsche Sport-Historie als die Schande von Kasan. 0:2.

Kraftlos, mutlos, planlos, verunsichert, lethargisch.

Wer hätte gedacht, dass die so hoch gehandelte und im Vorjahr nach dem Sieg im Confed-Cup und dem gleichzeitigen Triumph bei der Unter-21-EM für fast unschlagbar gehaltene deutsche Auswahl alle deutschen Tugenden vermissen lassen würde.

Wer hätte gedacht, dass der Titelverteidiger schon nach drei Spielen die Heimreise wird antreten müssen?

Wer hätte für möglich gehalten, dass Teamchef Joachim Löw, dessen Vertrag noch vor der WM bis 2022 verlängert worden war und den sein südkoreanischer Kollege Shin Tae-yong immer wieder als den besten Trainer der Welt bezeichnet hatte, mit seiner Auswahl so erbärmlich scheitern würde?

Deutschland beendete die WM in Russland als Gruppenletzter. Damit sind den Fußball-Millionären die ersten Seiten in den deutschen Zeitungen garantiert. Mit lapidaren Entschuldigungen wird sich der Boulevard nicht begnügen.