Meinung

Lebenslang für einen Unsympathler

Lebenslang für einen Unsympathler.

Ricardo Peyerl
über das Urteil im Fall Kührer

Man stelle sich vor: Der Angeklagte im Indizienprozess um den Tod der 16-jährigen Julia Kührer ist ein smarter und sympathischer Mann – und keiner, der sich selbst „Pitbull“ nennt. Er hat einen anständigen Beruf und nichts mit Drogen am Hut. Seine Ex-Freundinnen beschreiben ihn als sanften Liebhaber – und nicht als perversen Wüstling. Die Geschworenen werden sich schwertun, so einen Angeklagten für einen Mörder zu halten und ihn für lebenslang hinter Gitter zu schicken, wenn die Beweise nicht erdrückend sind.

Das ist der Haken an der Geschworenengerichtsbarkeit, dass Laien eher aus dem Bauch heraus entscheiden. Und dass sie ihr Urteil nicht wirklich begründen müssen. Der Satz „Der Zeuge Huber hat überzeugend ausgesagt“ oder „Der Angeklagte machte einen unglaubwürdigen Eindruck“ reicht völlig. In der nächsten Instanz ist so eine saloppe Erklärung freilich nicht mehr überprüfbar und damit auch nicht bekämpfbar. Da geht es nur noch um mögliche Formalfehler.

Österreich steht mit dieser Form der Urteilsfindung bei den schwersten Verbrechen mit den strengstmöglichen Strafen ziemlich allein da. Mehrere Justizminister haben keine Reform zusammengebracht, Beatrix Karl hat einen Arbeitskreis gebildet. Dessen Vorschläge liegen im Parlament und gehen in die Richtung, die acht Laien bei der Schuldfrage nicht ganz alleinzulassen. Die Berufsrichter (bis zu drei) sollten mitentscheiden und dann mit Substrat begründen. Der unverbrauchte, nicht juristisch verbildete Hausverstand hat viel für sich. Aber Entscheidungen, die in Leben eingreifen, sollten nachvollziehbar, überprüfbar und angreifbar sein.