Meinung

Europäische Endzeit-Stimmung

Die EU hat derzeit kaum Instrumente, Solidarität und gemeinsames Handeln durchzusetzen.

Dr. Margaretha Kopeinig
über den Flüchtlings-Gipfel

Angela Merkel ist durch und durch Realistin: "Wir werden die Flüchtlingskrise nicht sofort lösen", sagte sie am Sonntag zu Beginn des Treffens zur Flüchtlingskrise. Sie behielt recht. Die Ergebnisse des Krisentreffens sind minimal, das Leaders' Meeting - so war es angekündigt - zeigte keine Leadership-Qualitäten. Am Willen von Gastgeber, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Merkel oder auch Bundeskanzler Werner Faymann lag es ganz bestimmt nicht. Ein besserer Informationsaustausch zwischen den - vom Flüchtlingsstrom besonders betroffenen - Ländern entlang der Balkan-Route, ein Netzwerk von Kontaktpunkten, Geld von der EU und das Versprechen von Alexis Tsipras, die vereinbarten Hotspots zur Erstaufnahme in Griechenland zu errichten und die EU-Außengrenze zur Türkei besser zu sichern - das sind die Ergebnisse des Gipfels, bestenfalls Notfallmaßnahmen. Die Positionen für eine gemeinsame Asylpolitik liegen zu weit auseinander. Ungarns Premier Viktor Orbàn sieht in Grenzzäunen und im nationalen Agieren das alleinige Heil. Als absolute Provokation wurde sein Verhalten gewertet, nur mehr Beobachter am Tisch zu sein, denn sein Land habe mit dem Flüchtlingsstrom auf der Balkan-Rourte nichts mehr zu tun. Er wüsste gar nicht, warum er nach Brüssel gekommen sei, er könne aber gerne Ratschläge erteilen. Einige osteuropäische Staaten lehnen ein faires Quotensystem ab, für sie kommt nicht in Frage, Flüchtlinge aufzunehmen und zu versorgen. Die Gruppe dieser Länder wird um Polen vergrößert, die rechtsnationalen Wahlsieger vom Sonntag wollen sich von der EU ab- und dem Kurs Orbàns zuwenden. "Europa steht auf dem Spiel", warnte der slowenische Premier Miro Cerar. Das sei der Beginn vom Ende der EU und Europa als Ganzes, stellte er resigniert fest. Ein anderer Teilnehmer sprach gar von einer "europäischen Endzeit-Stimmung". Offensichtlich hat die EU derzeit kaum noch Instrumente und Argumente, Solidarität und gemeinsames Handeln durchzusetzen. Die Quoten-Regelung ist EU-Gesetz und kann beim Europäischen Gerichtshof eingeklagt werden, das wäre eine Möglichkeit. Die Stimmen werden lauter, osteuropäische Quotenverweigerer finanziell zu sanktionieren, sprich: EU-Förderungen zu streichen. Von den Gründungsprinzipien der EU ist bei manchen Ländern nichts mehr übrig. Nationale Politik ist die Devise, jeder gegen jeden und nehmen, aber nichts geben. Dennoch: Es bleibt nur der Blick nach vorne und eine rasche Umstellung unseres Denkens. Flexibilität im Kopf und im Herzen - damit müssen wir uns rüsten.