Erdoğan-Sieg ist keine gute Nachricht für EU
Von Walter Friedl
Der alte und erfahrene Wahlkämpfer hat es wieder einmal geschafft – allen Unkenrufen zum Trotz. Er entschied die Präsidentenwahl für sich und ist nun am Ziel seiner Träume: Mit der neuen Verfassung, die mit dem gestrigen Urnengang in Kraft tritt, ist er der mächtigste Staatschef, den die Türkei je hatte. Und das kommt einer gefährlichen Drohung gleich.
Denn dass sich der 64-jährige „Sultan“ auf seine alten Tage noch ändern wird, glauben nicht einmal die kühnsten Optimisten. Zu Recht. Spätestens seit er die Proteste im Istanbuler Gezi-Park brutal niederknüppeln ließ, agiert Erdoğan äußerst autoritär, vor allem nach dem gescheiterten Putsch 2016. Die EU wird sich auf einen Präsidenten einstellen müssen, für den Kompromiss schon längst ein Fremdwort geworden ist.
Dass seine Partei bei den Parlamentswahlen – ebenfalls am Sonntag – die absolute Mehrheit klar verloren hat, wirft zwar einen Makel auf Erdoğans Sieg, wird ihn aber nicht weiters stören, der nationalistische Bündnispartner MHP folgt dem AKP-Herrl ohnehin auf den Fuß, gemeinsam haben sie eine Mehrheit in der Legislative. Außerdem werden mit dem neuen Grundgesetz ganz viele Befugnisse vom Abgeordnetenhaus in den Präsidentensitz transferiert.
Die EU wird sich also warm anziehen, aber auch Farbe bekennen müssen. Sollte Erdoğans bei zentralen Grundwerten wie den Menschenrechten nicht endlich liefern, muss Brüssel die Reißleine ziehen und die Beitrittsgespräche beenden. Weiterwursteln ist dann nicht mehr.
Für die aufgeschlossenen Türken freilich, zumal für die unterdrückten Kurden, gehen die bleiernen Jahre in die Verlängerung – und ein Ende ist nicht absehbar. walter.friedl