Meinung

CDU, CSU, SPD: Radikalumbau nötig

Wenn die deutschen Volksparteien nach der Bayern-Wahl jetzt nicht rasch Konsequenzen ziehen, ist es um sie geschehen. Das betrifft vor allem die SPD, die, man muss es so drastisch sagen, sich schon voll im Überlebenskampf befindet. Einstellig in Bayern (auf Platz fünf), im Bund bei gut 15 Prozent Kopf-an-Kopf mit der AfD. Inhaltlich entkernt – wofür stehen die Genossen? –, laufen ihnen die Grünen thematisch wie personell den Rang ab. Mit frischen Gesichtern und Ideen, modern präsentiert, mit Optimismus garniert. Für die SPD kann das nur einen kompletten Neustart bedeuten: Raus aus der GroKo in Berlin, Sonderparteitag, auf dem ein dynamisches Team die Führung übernimmt und Themen setzt. Danach schaut es aber nicht aus. Alte Kader (nicht unbedingt an Jahren) schauen lieber dem freien Fall zu – bis zum Aufprall, nach dem eine Splitterpartei übrig bliebe.

Mutti Merkel soll Stafette endlich übergeben

Der CDU, die am Sonntag nicht zur Wahl stand, geht es bloß graduell besser. Nachdem ihre Chefin, Kanzlerin Angela Merkel, die Partei tendenziell nach links geführt hat, fragen sich auch viele Konservative: Was ist der Markenkern? Laut Umfragen ist die Union bundesweit auf 26 Prozent abgestürzt und käme mit den Roten gerade einmal auf gut 40 Prozent der Stimmen. Auch für die Christdemokraten gilt: Ein Radikalschnitt muss her. Lange konnte Mutti Merkel die strukturellen Schwächen der Partei überdecken. Doch wie ihr Mentor Helmut Kohl hat auch dessen „Mädchen“, eben Merkel, den Zeitpunkt verpasst, die Stafette zeitgerecht zu übergeben. Heute ist sie verbraucht, kaum noch jemand traut ihr zu, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Auch auf der schwarzen Reichshälfte gilt aber: Es wird taktiert bis zum bitteren Ende. Die Kanzlerin schart ihre Vertrauten um sich, um die Große Koalition und vor allem sich selbst zu retten. Kurzfristig könnte ihr das zwar gelingen, aber um welchen Preis?

Es braucht Empathie und Mut zu Neuem

Wohlgemerkt: Niemand redet potenziell halsbrecherischen Experimenten das Wort. Doch die Deutschland AG wie bisher schlicht brav zu verwalten (das Land steht wirtschaftlich ja hervorragend da), ist zu wenig. Es braucht Empathie, kreative Köpfe und Mut zu Neuem – womit wir wieder bei den Grünen wären.

Und die bayerische CSU? Die rann bei den Wahlen nach links (Grüne) und rechts aus ( AfD, Freie Wähler – FW) und steckt damit in einem strategischen Dilemma: Wohin soll ich mich wenden? Ministerpräsident Markus Söder hat seine Wahl bereits getroffen und die konservativen Freien Wähler als Steigbügelhalter für ein Weiterregieren auserkoren. Das ist logisch, ist doch die DNA der FW fast identisch mit der der Christlich-Sozialen. Dem Willen des Volkes entspricht diese Konstellation allerdings nicht. Das nämlich favorisiert mit großer Mehrheit Schwarz-Grün im Freistaat. Gewiss, in der Migrationsfrage müssten beide Seiten über ihren Schatten springen, in einem solchen Spannungsverhältnis lägen aber auch Chancen für unkonventionelle Lösungsansätze.

Neue Wege zu gehen – dafür fehlt allen Volksparteien derzeit offenbar (noch) der Mut. Nur: Zu Tode gefürchtet, ist auch gestorben.walter.friedl