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Drizzle

Den vergangenen Samstag verbrachte ich in Trogir (Kroatien). Im Hafen stand die größte Yacht die ich je gesehen hatte: Die "Drizzle". Sie wurde 2005 erbaut, ist 55 Meter lang (eine Boeing 737-800 ist etwa 40 Meter lang) und bietet Platz für 10 Passagiere und 14 Crewmitglieder.

Unweigerlich stellte sich die Frage: Welcher fast schon unanständig reiche Mensch hat die Drizzle gechartert? Wer kann das sein? Also setzte ich mich in ein Cafe an der Hafenpromenade und beobachtete das Riesending. Und? Nichts passierte, stundenlang tote Hose. Ich war enttäuscht und der Kellner dankbar, als ich nach drei Stunden begann meine Sachen zu packen um den Platz konsumierfreudigeren Gästen zu überlassen.

Aber ich sollte doch noch für meine Geduld (im Urlaub ist man sowieso irgendwie gelassener) belohnt werden - eine der Türen öffnete sich langsam. Wer wird gleich hier rausspazieren: Madonna, der Rapper Snoop Dogg (Der Name der Yacht "Drizzle" erinnerte mich an seine TV-Show "Doggy Fizzle Televizzle"), George Clooney oder "We call it a Klassiker" Franz Beckenbauer? Nein. Eine kleine schmächtige Frau, schwarz gekleidet, einen Fuß einbandagiert und offensichtlich nicht unanständig reich. Unbefriedigend. Also ging ich auf sie zu und fragte sie: "Wer gastiert auf diesem Boot?" Sie sagte: "Es ist nicht Madonna. Mehr kann ich dazu nicht sagen." Aber sie erzählte mir andere Dinge: Melissa, aus London, erzählte mir von ihrem Alltag als Maid auf dem Boot. Seit eineinhalb Jahren ist Melissa Mitglied der Crew. Ihr Arbeitstag dauert oft bis zu 18 Stunden und wenn die Gäste an Land gehen, muss sie putzen. "Manchmal verlassen wir das Boot eine Woche lang nicht." Manchmal ist es so stürmisch und der Wellengang so wild, dass Melissa nicht schlafen kann. Manchmal muss sie sich dann übergeben. "Die Bezahlung ist gut. Aber das Ausgeben des Geldes schwierig, da wir die meiste Zeit an Board sind", schmunzelt sie. Melissa hat sich verletzt und kann für einige Wochen nicht arbeiten - sie ist nicht angestellt, also bekommt sie während dieser Zeit nicht bezahlt.

An all das habe ich nicht gedacht, als ich die Drizzle an diesem Nachmittag zum ersten Mal sah. Die Drizzle erschien mir nach dem Gespräch mit Melissa nicht mehr ganz so nobel.