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Der Apnoe-Extremist

Mir fehlt jede Bewunderung für sportliche Extremisten. Ich kann mich nicht begeistern für Auto-Piloten, die mit 250 km/h oder noch viel schneller durch die Landschaft oder im Kreis fahren. Auch nicht für Skifahrer oder Rodler, die mit 150 km/h ins Tal rasen. Und noch weniger für Menschen, die auf der Suche nach den eigenen physischen und psychischen Grenzen die absurdesten Rekordjagden veranstalten. Die sich in vollem Bewusstsein nach Adrenalin und außergewöhnlicher Gefahr sehnen. Vielleicht sogar nach Nahtod-Erlebnissen. Immer wieder im Glauben, Risiko sei bei entsprechendem Training kalkulierbar.

Aber so lange die Lust auf Kick und Rausch keine Unbeteiligten gefährdet, soll jeder für sich entscheiden, ob er ohne Seil überhängende Bergwände hinaufklettert, ohne Sauerstoff in die Untiefen des Meeres hinabtaucht oder unbedingt im freien Fall die Schallmauer durchbrechen will. Eigenverantwortung ist das Maß aller Dinge, der Sinn des Extremen muss sich Außenstehenden nicht erschließen. Das ist ganz einfach: Mir wurscht.

Wut und Fassungslosigkeit

Reduziert wird das Verständnis erst dann, wenn ein Bergsteiger zu einer besonders riskanten Expedition aufbricht, im Wissen, dass zwei Kinder darauf warten, dass Papa wieder gesund nachhause kommt. Was nicht geschieht. Statt dessen muss Mama den Kleinen eine vermeidbare Tragödie erklären. Da darf sich zum Mitgefühl für die Hinterbliebenen auch Wut und Fassungslosigkeit in der eigenen Gefühlswelt breit machen.

Am 6. Juni wollte Herbert Nitsch in seiner Eigenschaft als Apnoe-Taucher (Selbstbeschreibung "The Deepest Man On Earth") eine historische Bestleistung erzielen. Mit einem einzigen Atemzug tauchte er vor Santorin 250 Meter in die Tiefe ... und wachte erst in einem Athener Spital wieder auf.

Derzeit befindet sich der 41-jährige Wiener auf Rehabilitation in Deutschland. Über den genauen Gesundheitszustand war bisher nichts zu erfahren. Jetzt meldete sich der Vater und sprach von einem "Unfall mit ernsthaften Konsequenzen". Was genau das heißt, blieb offen, aber die Ärzte glauben an Genesung, wenn auch nur in kleinen Schritten.

 

Ein "Unfall"

Einmal abgesehen davon, dass sich über die Definition des Wortes "Unfall" in diesem Zusammenhang diskutieren ließe, so bleibt für mich vor allem ein Gedanke übrig:

Ich wünsche dem Deepest Man On Earth, dass er irgendwann The Healthiest Man on Earth wird. Aber wer tagtäglich mit so vielen dramatischen Schicksalen ohne fahrlässige Ursachen konfrontiert ist, dem fehlt - ganz ehrlich - für einen Selbstverstümmler das Mitleid.