Vom Rand ins Zentrum: Das Ende von Wien
Von Uwe Mauch
Denn nur wer sich zum Äußersten Wiens wagt, wird dafür belohnt.
über das Ende der Stadt
Blog Nr. 1122: „Wien ist groß genug, dass dich die Stadt an ihren Rändern leben lässt.“ Hat mich der Liedermacher Ernst Molden einmal getröstet. Ich habe mich seither mit dem Fahrrad immer wieder an die Peripherie begeben. Um mit der Kamera das durch Tafeln markierte Ende der Stadt ins Zentrum zu rücken (siehe Bildleiste oben). Und tatsächlich lassen die nicht behübschten, nicht kommerzialisierten Ränder der Stadt noch Spielraum für Ideen, die sich nicht am Althergebrachten orientieren.
Tristesse der Triester bis Traiskirchen
Kein Ort von Schönheit ist das Ende von Wien an der Triester Straße. Neben der Asfalt-Piste reihen sich rechts und links die Verkaufsflächen für Automobile, Gartenmöbel, Sportartikel und vieles mehr. Der Übergang von der Stadt zum Land ist hier verschwunden. Stünde die Ortstafel, die das Ende der Stadt anzeigen soll, nicht auf dem Gehsteig, würde man gar nicht mitbekommen, dass es hier aus ist. Keine gute Nachricht für Romantiker: Die Tristesse der Triester reicht hinaus bis nach Traiskirchen.
Auf einer Kellergasse ins Weinviertel
Ganz anders ein Bild aus dem Wiener Norden: Auf einer wenig befahreren Kellergasse kann man den Weinort Stammersdorf entspannt in Richtung Weinviertel verlassen. Womit sich schon mal generalisieren lässt: Die großen Wiener Stadtausfahrten sind allesamt nicht hübsch, doch dazwischen kann das Ende von Wien großartigen Charme aufweisen. Dieser Charme ist resch oder recht naturnah. Und er ist noch immer weitgehend unentdeckt, denn nur wer sich zum Äußersten wagt, wird dafür belohnt.
Zwischen Essling und Groß-Enzersdorf
Noch ein wenig Landschaft hat die Menschheit zwischen den beiden Marchfeldorten Essling und Groß-Enzersdorf gelassen. Zwischen Essling und Groß-Enzersdorf liegen in der Tat Welten. Essling gehört noch zum Einflussbereich des Wiener Bürgermeisters, in Groß-Enzersdorf hat bereits der niederösterreichische Landesfürst das Sagen. Über diese Landesgrenze wälzt sich jeden Tag eine lautstarke, abgashältige Blechlawine drüber. Radfahrem macht hier weniger Spaß, ist nebenbei auch lebensgefährlich.
Neuanfang am Ende, am Ende der Insel
Auch auf der Donauinsel gelangt man zum Ende von Wien. Sogar an zwei Enden, flussaufwärts und flussabwärts. Dort, wo Wien aus ist, beginnt die Insel einsam zu werden. Jedenfalls ist das Aufkommen von nervigen Radfahrern ohne Genierer und bellenden Hunden ohne Beißkorb deutlich geringer. Selbst Skeptiker der letzten großen Donauregulierung geben heute zu, dass der Bau der künstlichen Insel kein Ende der Natur bedeutete, sondern viel mehr die Lebensqualität der Stadt angehoben hat.
Und am Ende die Stiegengasse ohne Stiegen
Zauberhaft, was Kollege Wolfgang Freitag am Ende von Wien, genauer gesagt in der Siedlung Augustinerwald in Penzing, entdeckt hat: Eine Stiegengasse, die keine Stiegen aufweist und streng genommen auch gar keine Gasse ist. Ihrer behördlich verordneten Ausnahmeerscheinung hat Wolfgang Freitag seine jüngste Stadtbild-Kolumne in der „Presse“ gewidmet. Womit er nebenbei bewiesen hat: Spannende Geschichten des Stadt-Lebens werden nicht nur im Inneren, sondern auch am Rand geschrieben.