Welt-Reise, Tag 80 - Deutschland
Wenige Symbole der DDR haben außerhalb der geschützten Ostalgie-Shops überlebt. Eines ist das Berliner Ampelmännchen. Das wurde im Jahr 1961 vom "Medizinischen Dienst des Verkehrswesens der DDR" in die Welt des Arbeiter- und Bauernstaats gesetzt. Sein Vater, der Verkehrspsychologe Karl Peglau, wollte mit dem Ampelmännchen eine möglichst prägnante Figur schaffen. Nach der Wende sollte die gern gesehene Symbolfigur der Ostberliner wie so vieles ganz von der Bildfläche verschwinden. Doch da hatte die Stadtpolitik die Rechnung ohne die Berliner aus Ost und West gemacht. Und so ist das Ampelmännchen heute eines von ganz wenigen Überbleibsel aus jenem anderen Deutschland, das man im Westen auch "Zone" genannt hat.
Die knallroten Feuerwehrautos der Firma Rosenbauer aus Leonding bei Linz sind weltweit im Einsatz. Die Zahlen sprechen für sich: 80 Prozent der Berufsfeuerwehren und siebzig Prozent der Flughafenfeuerwehren sind mit Fahrzeugen der Oberösterreicher im Einsatz. 180.000 Feuerwehrleute tragen zudem Rosenbauer-Helme. Die Firma macht einen Umsatz von rund 600 Millionen € pro Jahr. Als Klassiker gilt ihr AT. Der ist seit vielen Jahren von Grönland bis Saudiarabien im Einsatz. Heute verfügt Rosenbauer über neun produzierende Betriebe, davon drei in Deutschland. Einer der drei Standorte befindet sich in Luckenwalde südlich von Berlin, dem Geburtsort des legendären wie umstrittenen Studentenführers Alfred Willi Rudi Dutschke. Hier ist auch der freiwillige Feuerwehrmann Klaus Tonhäuser aktiv im Einsatz. Nicht als Kommandant der Florianijünger, sondern als Leiter der Luckenwalder Niederlassung. Der gelernte Maschinenbauer kommt - so wie sein Arbeitgeber - aus Leonding, mit immerhin 30.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt Oberösterreichs. Deutschland, betont Tonhäuser, ist für seine Firma ein ganz wichtiger Markt: "Hier gibt es viele Betriebe, die mit feuergefährlichen Rohstoffen arbeiten. Weil die ihre Produktionsanlagen oft erneuern, sind auch von uns ständig neue Löschtechniken gefragt." In Luckenwalde werden die sogenannten Normfeuerwehrautos zusammengebaut. Im Vorjahr konnte man stolze 2340 Fahrzeuge ausliefern. Vor allem an die Feuerwehren in deutschen Gemeinden. Rosenbauer ist allerdings weiterhin ein rein österreichisches Unternehmen. 51 Prozent befinden sich im Familienbesitz. Die restlichen 49 Prozent werden vor allem von Mitarbeitern der Firma (weltweit rund 2300) gehalten. Auch eine Möglichkeit, um die Leute für ihre Arbeit zu motivieren. Interessant, was Kommandant Tonhäuser über Deutschland sagt: "Also wir jammern in Österreich schon über den hohen Anteil der Bürokratie. Aber wenn die Österreicher wüssten, was sich hier abspielt, dann würden sie ganz schnell zum Jammern aufhören. In Deutschland versucht man zum Beispiel EU-Verordnungen umzusetzen, die in Brüssel noch nicht einmal beschlossen sind."
Herzlich willkommen in der komischen Oper Berlin! Der Lauftext auf der Rückenlehne des Vordersitzes wird in Kürze auch in türkischer Sprache abrufbar sein. Susanne Moser, seit 2005 die geschäftsführende Direktorin im kleinsten der drei Berliner Opernhäuser, dreht sich kurz um. Sie hat mit dieser Aktion für viel Aufsehen und Diskussionsstoff in der Stadt gesorgt. Sie sagt zufrieden: "Wir haben über neunzig Prozent positive Reaktionen erhalten." Die wenigen Beschwerde-Führer kritisieren, dass man es den türkischstämmigen Mitbürgern nicht auch noch im Kulturbereich zu leicht machen soll. Sollen Deutsch lernen! Lautet der Tenor der Deutschtümler. Replik der Direktorin: "Man muss auch die Muttersprachen der Bewohner dieser Stadt Ernst nehmen." Sie kann sich dabei auch auf seriöse Studien von Sprachforschern berufen. Die erklären schon seit Längerem: Je besser Menschen mit Migrationshintergrund ihre eigene Sprache beherrschen umso leichter lernen sie Fremdsprachen. Moser arbeitet gerne in Berlin: "Die Komische Oper ist ein Juwel in der europäischen Opernlandschaft. Hier ist noch jeder Mitarbeiter mit großem Engagement bei der Sache. Mein Ziel ist es, diese Tradition weiter zu pflegen und auch in die Gegenwart zu übersetzen." Bewundernswert sind für die Kulturschaffende, die zuvor unter anderem am Wiener Burgtheater gearbeitet hat, auch die älteren Kollegen, die schon in der DDR in diesem Haus des Ostens gearbeitet haben: "Es ist eine beachtliche Leistung, die hier von einer ganzen Stadt erbracht wird." Wien sei eine mindestens ebenso kulturaffine Stadt wie Berlin - mit dem Unterschied: "Berlin ist veränderungswilliger als Wien." Apropos Wien. Zauberhaft das Interieur der Komischen Oper, das jedem Österreicher sofort vertraut vorkommen muss. Kein Wunder, wurde das ursprüngliche Haus vom weltbekannten Wiener Architektenbüro Helmer & Fellner im Jahr 1892 geplant. Die Oper wurde im Zweiten Weltkrieg arg zerstört und erst im Jahr 1947 wieder eröffnet. Der neue Intendant war damals ein Wiener, Walter Felsenstein. Und der begann wohl nicht ganz zufällig mit der "Fledermaus" von Johann Strauß. Felsenstein blieb - trotz der politischen Brüche - bis zu seinem Tod im Jahr 1975 der Komischen Oper erhalten.
Letzter Termin auf dieser langen Recherche-Reise: in einem Lokal in Berlin-Kreuzberg. Es heißt bezeichnenderweise " No Kangaroo". Oft haben uns Österreicher in den vergangenen Wochen wenig erfreut erzählt, dass sie meistens mit Australiern verwechselt werden. Überall auf der Welt trifft man aber auch erfolgreiche österreichische Gastronomen. So finden sich auf einer Liste, die von Mitarbeitern der österreichischen Außenhandelsstelle in Berlin erstellt wurde, gleich 72 "Gaststätten und Restaurants mit Österreich-Bezug". Das No Kangaroo, das innen wie eine Skihütte aussieht, ist exterritoriales Gebiet. Es wird von den Kreuzbergern eher gemieden. Dafür lassen sich auffallend viele betuchte und austrophile Mitarbeiter von internationalen Konzernen blicken. Donnerstagabend sollten nicht nur die Kreuzberger dem "Kein Känguru", vor dessem Eingang eine Plastikkuh steht, weiträumig ausweichen. Da gehen hier so genannte Aprés-Ski-Parties ab. So wie in den Alpen. Mit DJ Ötzi, viel Alkohol, zu Bruch gehendem Mobiliar und so. Der junge Geschäftsführer Martin Raber findet das insgeheim auch nicht nur gut, er muss öfters die kaputten Stühle reparieren. Der Mühlviertler redet aber lieber über den Transport der Holzhütte. Die hat ursprünglich 25 Tonnen gewogen, wurde von Salzburg auf zwei Tiefladern nach Berlin verbracht und hier in Kreuzberg aufwändig in ein Lokal eingebaut. Möglich, dass schon bald Franchise-Nehmer "No Kangaroo"-Filialen in Asien eröffnen. Hoffentlich nicht mit DJ Ötzi, viel Alkohol, zu Bruch gehendem Mobiliar und so.
Reisetage: 112. Arbeitstage: 80. Durchschnittliche Schlafstunden pro Nacht: 5. Porträtierte Österreicher: mehr als 200. Flüge insgesamt: 47. Nachtflüge: 6. Längster Flug: Sydney - Auckland - Buenos Aires (knapp 20 Stunden). Kürzester Flug: Stockholm - Hagfors (40 Minuten). Stationen dieser Reise: Casablanca - Marrakesch - Lagos - Tripolis - Benghazi - Kairo - Ankara - Kayseri - Istanbul - Abu Dhabi - Dubai - New Delhi - Agra - Almaty - Peking - Guangzhou - Seoul - Tokio - Hongkong - Singapur - Bangkok - Hat Yai - Jakarta - Sydney - Hunter Valley - Buenos Aires - Provinz Cordoba - Sao Paulo - Piracicaba - Mexico City - Kupfercanyon - Los Angeles - New York - Toronto - Aurora - Niagara Falls - London, Ontario - Stockholm - Uddeholm - Riga - Ventspils - Moskau - Bukarest - Sibiu - Sarajevo - Srebrenica - Neretva-Tal - London - Berlin - Luckenwalde - Berlin - Wien. Städte, die angeflogen, aber nicht betreten wurden: Belgrad, Doha (Katar), Kuala Lumpur (Malaysia), Warschau. Best of Verkehrsmittel: Doppelmayr-Seilbahn über den Kupfercanyon in Mexiko. Saftigste Rechnung: 425 € fürs Wäschewaschen in einem Hotel in Sao Paolo. Erstbeste Showeinlage: Geisterfahrt auf der Autobahn in Benghazi, Libyen. Zweitbeste Showeinlage: Vier brasilianische Schuhplattler von der "Grupa Tirol", die noch nie in Tirol waren. Erstweiseste Weisheit eines österreichischen Wirtschaftsdelegierten: "Who is first is first." Zweitweiseste Weisheit eines österreichischen Wirtschaftsdelegierten: "Gute Ernte, gutes Jahr. Schlechte Ernte, schlechtes Jahr." Höchstes Lob eines österreichischen Wirtschaftsdelegierten an einen Weltreisenden: "Sie sind ein Bursch!" Dekadentestes Hotel: Quasr Al Sarab Desert Resort in der Liwa-Wüste in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Charmantestes Hotel: Hotel Michele, Sarajevo, Bosnien und Herzegowina. Heißeste Station: Lagos, Nigeria, plus 42 Grad Celsius. Kälteste Station: Seoul, Südkorea, minus 16 Grad Celsius. Grindigste Stadt: Jakarta, Indonesien. Anstrengendste Stadt: New Delhi, Indien. Gefährlichste Stadt: Lagos, Nigeria. Pulsierendste Stadt: New York, USA. Ruhigste Stadt: Stockholm, Schweden. Melancholischste Stadt: Sarajevo, BiH. Merkwürdigster Österreicher: Der österreichische Militärattaché in Rom. Denkwürdigster Österreicher: Frank Stronach. Österreicher, der am öftesten "Eierschädel" in einer Stunde sagen kann: Alfred Riedl, Fußballtrainer. Fürsorglichster Chauffeur einer österreichischen Außenhandelsstelle: Johann Waschl, Tokio (wir hoffen, dass es ihm, seiner Familie und seinen Kollegen in diesen schweren Tagen gut geht). Schnellster Chauffeur einer österreichischen Außenhandelsstelle: Samir Nedžibović, Sarajevo. Was auf dieser Reise am meisten vermisst wurde: Familie, Freunde, Fahrrad. Was nach dieser Reise nicht vermisst wird: Flughäfen, Flugzeuge, Frühstücksbuffets. Eine Erkenntnis von vielen: KH Grassers Diplome ebenso wie die Erfolge des österreichischen Skiverbands sind - vom Weiten betrachtet - eher wurscht.
Dieser Blog erscheint redaktionell unabhängig in Kooperation mit der Außenwirtschaft Österreich der Wirtschaftskammer Österreich sowie mit dem Wirtschaftsministerium. Die Export-Offensive go-international soll österreichische Unternehmen zu geschäftlichen Aktivitäten im Ausland motivieren und dabei unterstützen.