Bitte bis auf die Unterhose ausziehen!
Von Martina Salomon
Willkommen im Überwachungsstaat
über Gehalts-Striptease für alle
Grüne Wähler wohnen bevorzugt in größeren Städten und sind meist so gut situiert, dass sie sich einen gewissen Postmaterialismus leisten können. Ob gerade sie gerne ihr Gehalt preisgeben wollen, ist daher fraglich. Die erfolgreiche Salzburger Grünen-Chefin forderte im KURIER genau das: Gehalts-Striptease für alle. Ihr frommer Wunsch: weniger Steuerhinterziehung. Die Schweden machen’s ja auch.
Klingt logisch, hat aber ein paar Haken. Dass ausgerechnet eine Grüne, deren Partei den Datenschutz immer zur heiligen Kuh erklärt hat, nun so etwas Privates an die Öffentlichkeit zerren will, ist schon erstaunlich – oder auch wieder nicht: Schließlich zuckt Peter Pilz mit keiner Wimper, wenn es darum geht, personenbezogene Daten potenzieller Bösewichte aufzudecken.
So ein Gehaltsregister wäre eine feine Sache für Kriminelle – man wüsste dann wenigstens gleich, wo es sich einzubrechen lohnt. Wer über einer gewissen Gehaltssumme liegt, wird dann lieber einen Sicherheitsdienst engagieren. Das ist Klassenkampf pur: Reiche, Hosen runter! Schadenfreudige kommen aber auch auf ihre Rechnung: „Waaaas, der Neue der Ex hat nur ein Mini-Gehalt?“ Danke, liebe Grüne! Die FPÖ könnte dann vielleicht sogar belegen, dass Menschen mit türkischen Namen überdurchschnittlich oft von der Sozialhilfe leben.
Wer A sagt, muss B sagen: Dann wollen wir auch Bund und Ländern viel genauer auf die Finger schauen. Und jeder Bürger sollte auf seinem Lohnzettel die Arbeitgeberbeiträge vorfinden, plus eine jährliche Krankenkassen-Abrechnung. Dann kann auch endlich die Transparenzdatenbank der ÖVP kommen – aber bitte in der ausgebauten Form. Die Allgemeinheit – und nicht nur der Betroffene selbst – sollte Einsicht in alle Förderungen und Sozialleistungen der öffentlichen Hand bekommen. Das würde (Achtung, Polemik!) dem Sozialstaat sogar Geld sparen helfen, weil es manche Bürger abschrecken würde, so ein öffentliches Armutsbekenntnis abzulegen.
Dank Handy, Kredit- und Kundenkarten, Internet-Nutzung, Facebook und Google Street View sind wir sowieso längst gläserne Bürger. Demnächst wird sich auch Österreich am automatischen Austausch von Kontodaten beteiligen, und die jahrelange Speicherung von Fluggastdaten wird diskutiert. Das Briefgeheimnis ist in Wahrheit abgeschafft, denn Mails sind leicht zu knacken. Videokameras beobachten uns überall. Nur beim Einkommen der Mittelklasse herrscht noch Diskretion – bei Politikern und Spitzenmanagern staatsnaher und börsenotierter Unternehmen wissen wir auch das. Willkommen im Überwachungsstaat!