Meinung

Augen auf: Die EU ist großartig

Das EU-Bashing hat längst ein unerträgliches Maß erreicht.

Gert Korentschnig
über die wahren Probleme der Gemeinschaft.

Und wieder haben wir eine Woche der Sündenböcke erlebt.

Die EU ist schuld, dass auf peinlichste Art herumgeeiert wurde im Umgang mit Kanada.

Die belgische Regierung ist schuld, dass die Wallonie CETA so lange gar nicht zustimmen konnte.

Und wahrscheinlich ist sogar Kanada, ein Land, das höchsten humanitären Werten verpflichtet ist und garantiert kein kapitalistischer Freihandels-Blutsauger, schuld daran, dass wir uns mit solchen Debatten überhaupt auseinandersetzen mussten. Eine Belästigung.

Höchste Zeit, dass in Österreich bald Wahlen stattfinden, damit man seinen Protest artikulieren kann.

Aber wogegen eigentlich? Gegen eine Europäische Union, die eigentlich die hehrsten Ziele verfolgt? Die nicht a priori ein Wirtschafts-, sondern ein Friedensprojekt ist? Gegen politische Vertreter in Brüssel, die von niemand anderem als von uns selber gewählt wurden?

Das EU-Bashing hat längst ein unerträgliches Maß erreicht. Es grenzt an Selbstgeißelung. Man ruft seit vielen Jahren die Geister herbei, die man nun nicht mehr los wird. In die Ecke Besen, Besen! Seid’s gewesen!

Der CETA-Prozess, der – weil manche mehr Glück als Verstand hatten – doch positiv enden dürfte, war ein Musterbeispiel für einen Systemfehler, auf den etwa Robert Menasse schon mehrfach hingewiesen hatte. Die politische Zusammensetzung der EU-Gremien ist in großem Ausmaß, direkt und indirekt, durch nationale Wahlen bestimmt. Dadurch glauben viele der dort agierenden Politiker, den Wählern vorgaukeln zu müssen, primär nationale Interessen zu vertreten. Dieser implizite Nationalismus ist der Anfang allen Übels.

Crashpiloten

Wenn dann Nationalismus auf Populismus trifft, funktioniert es zumeist nach ähnlichen Regeln: Die National-Populisten, mit einigen Medien als unreflektierenden Mittätern, blockieren, so lange es nur irgendwie geht, gemeinsame europäische Interessen. Um dann der EU vorzuwerfen, dass diese ja nicht handlungsfähig sei. Wie jemand, der absichtlich einen Crash verursacht und sich dann über die Inkompetenz der anderen empört.

Dieser Mechanismus funktioniert auch innerhalb der eigenen Landesgrenzen: Entscheidungen werden vom innenpolitischen Gegner so lange blockiert, bis man mit dem Vorwurf, es würden ja keine Entscheidungen getroffen, politisch punkten kann.

Wenn dann noch Perfidie wie "Bürgerkriegs"-Gefasel dazukommt, werden aus National-Populisten rasch verantwortungslose Aufhetzer, denen in ihrer Zerstörungswut jedes Mittel zur Machtergreifung recht ist.

Dabei bräuchten wir so dringend (durchaus angemessenen) Optimismus: Die EU ist eine wunderbare Institution, kein vernünftiger Mensch sollte auf sie verzichten wollen. Und Österreich ist ein großartiges Land – mit Reformbedarf. Aber statt gemeinsam nach vorne zu schauen, herrscht gefährliche Egozentrik.

Bei einem der nächsten Male reden wir dann vom Mehrheitswahlrecht, das so vieles erleichtern würde.