Meinung

Auf der Suche nach der verlorenen Identität

Österreich ist ein Einwanderungsland, verhält sich aber nicht so.

Dr. Martina Salomon
über verlorene Identität

Die aktuellen Nachrichten stimmen nachdenklich. Wie wird/muss sich Österreich verändern?

Österreich ist Vielvölkerstaat

Das waren wir schon einmal, und es ist beileibe nicht immer friedlich zugegangen. Der große Fehler der Zuwanderungspolitik der letzten Jahrzehnte war, dass es keine ernsthafte gab. Österreich ist ein Einwanderungsland, verhält sich aber nicht so. Zwar holte man ab den Sechzigerjahren Gastarbeiter, doch eine aktive Anwerbung der klügsten Köpfe gab es nie. Vielleicht zogen wir sogar eher die Schwächeren an. So sind unsere jungen Fachkräfte bei internationalen Wettbewerben top. Doch in dieser Liga finden sich noch kaum "ausländische" Namen. Das wird sich hoffentlich ändern, es gibt bereits viele positive Beispiele in heimischen Firmen. Unverständlich ist, dass wir an den Unis um unser Steuergeld immer mehr Ausländer ausbilden, diese dann aber ziehen lassen.

Österreich ist ein soziales, friedliches Land

Trotz aller berechtigter Kritik am Chaos in Traiskirchen: Hierzulande werden keine Grenzen geschlossen, Mauern gebaut und Menschenrechte missachtet. Kaum ein anderes europäisches Land (Deutschland ausgenommen) engagiert sich so für Asylwerber. Die soziale Versorgung des Landes ist aber an einem Wendepunkt angelangt: So großzügig wird es nicht weitergehen.

Österreich ist Industrieland

Am Freitag verkündete der Villacher Infineon-Konzern stolz die Auslieferung seines zehnmillionsten Hochfrequenz-Radarchips. Die Industrieregion schlechthin mit vorbildlichen Betrieben ist Oberösterreich ( KTM, Rosenbauer, Voest, Amag). Standortvorteile: gute Ausbildung, hohe Produktivität. Die Tendenz, sich lieber auf Mindestsicherung und Gemeindewohnung, also prinzipiell "auf den Staat" zu verlassen, ist in ländlicheren Regionen geringer ausgeprägt als in einer Großstadt wie Wien. Ein unternehmer-, gründer- und (horribile dictu:) kapitalfreundliches Land ist Österreich insgesamt nicht.

Österreich ist Hochkulturland

In keinem anderen Land würde so leidenschaftlich darüber diskutiert, ob es zulässig ist, auf einer Bühne ein kommunistisches Kampflied anzustimmen, um einen Rechtspopulisten im Publikum zu schmähen, wie soeben in Salzburg geschehen. Vieles – die Wiener Innenstadt, Hallstatt, Altaussee – haben durchaus etwas Museales. Das lässt sich vermarkten, daran muss man kaum etwas ändern. Schließlich sind wir auch ein Top-Tourismusland. Umso schlimmer ist der desaströse Zustand unserer Baukultur. Wir sind Weltmeister in Sachen Zersiedelung. Umdenken? Leider nicht in Sicht.

Österreich ist (wieder) Konferenzort

Nächste Woche wird es in der Hofburg einen Westbalkangipfel geben, Angela Merkel hat ihr Kommen angekündigt. Auch die Iran-Verhandlungen wurden teilweise hier geführt. Die Welt schaut wieder öfter nach Wien.

Bei allem Frust und allen Zukunftssorgen: Noch überwiegen die Stärken Österreichs. Der Wunsch, unseren Wohlstand, unsere Sicherheit und unsere Lebensform zu bewahren, ist berechtigt. Dafür müssen wir alle etwas tun.