Meinung

Alle werden politisches Kapital aus dieser Krise schlagen

Politisch hat die Regierung diese Krise gut gemeistert: Kontrollfreak Sebastian Kurz hat nichts dem Zufall überlassen: tägliche Pressekonferenzen, dosierte Schreckensmeldungen, eine kleine Prise Hoffnung, damit keine kollektive Depression ausbricht. Alle Regierungsmitglieder kamen zu Wort, innerkoalitionäre Scharmützel drangen kaum an die Öffentlichkeit. Die Grünen wurden zur staatstragenden Partei, die Oppositionsparteien auf die Zuschauerränge verbannt. Schön Abstand halten, bitte!

Und danach? Werden alle versuchen, politisches Kapital aus dieser Krise zu schlagen, und jeder wird seine eigenen ideologischen Schlüsse daraus ziehen. Es hat ja schon begonnen: Nach dem „Corona-Schock“ will der grüne Vizekanzler Werner Kogler eine Erbschaftssteuer einführen. Damit kann er endlich Signale an das schon ziemlich beunruhigte linke grüne Lager senden. Und demnächst muss man ja ohnehin darüber reden, wie wir die massiven Verluste an Steuereinnahmen und – sinnvollen – Milliarden-Stützungsmaßnahmen des Staates finanzieren können. (Zunächst einmal mit Schulden. Die Zinsen werden bei null bleiben – und Staaten wie Italien und Spanien müssen vor dem Bankrott gerettet werden.) Die kommende Rezession wird auch Wasser auf den Mühlen der prinzipiellen Gegner von Großbauprojekten sein. Können wir uns die dritte Flughafenpiste oder den Lobautunnel noch leisten, und brauchen wir das überhaupt?

Umweltorganisationen werden nach der Krise das Loblied auf den eingeschränkten Verkehr singen (und dabei auf den dadurch entstandenen, monströsen wirtschaftlichen Schaden vergessen). Landwirtschaft und Handel werden an das patriotische Gewissen appellieren: Kauft österreichisch! Das ist auch vernünftig. Allerdings will so ein exportorientiertes Land wie Österreich ja auch seine Ware im Ausland verkaufen. Was, wenn dort überall derselbe Schlachtruf erschallt?

Die Fortschrittsabgehängten können die Globalisierung für die Krise verantwortlich machen. Die Linke schimpft schon über den Kapitalismus (dabei kann uns nur der Kapitalismus minus mancher Auswüchse daraus retten). Die Rechte wiederum kann ab jetzt leichter auf den Law-and-order-Staat pochen, an den sich die meisten widerwillig, aber doch langsam gewöhnen. Wenn man dafür Tote vermeiden kann? Für die Impfbefürworter gibt es keine bessere Argumentationshilfe als diese Krise, für die Gegner aber möglicherweise auch (meistdiskutierte Theorie: Ist dieses Virus nicht irgendeinem pharmazeutischen Labor entfleucht?).

Manche sind klammheimlich sogar ein bisschen zufrieden mit dieser Vollbremsung der Welt, wie wir sie bisher kannten. War diese denn nicht eh zu rasend, zu konsumgeil, zu umweltzerstörerisch, zu familienfeindlich – und gehören nicht Kapitalismus, Globalisierung, Skihüttengaudi und natürlich auch die EU endlich auf den Schrottplatz der Geschichte? Vor so schlichten Erklärungen und Schuldzuweisungen nach diesen Wochen sei aber gewarnt. Da kommen wir nur gemeinsam wieder raus – und eher nicht als abgeschotteter Nationalstaat.

In der Nach-Corona-Welt steht alles auf dem Prüfstand: die Politik, Staatengemeinschaften, Unternehmen, Medien und, ja, auch die Wissenschaft. Schon lange nicht mehr war sie so wichtig für die Politik – und noch nie wurde uns so klar vor Augen geführt, dass sie die Politik nicht ersetzen kann. Weil nicht immer alles exakt vorhersagbar ist, und weil es auch hier widersprüchliche Meinungen gibt.

Wenn wir aus dieser Krise wieder auferstanden sein werden, sehen wir die Politik eventuell milder, weil sie Entscheidungsstärke bewiesen und Verantwortung übernommen hat. Vielleicht aber auch nicht, weil es dann einiges aufzuarbeiten und jedenfalls ein wirtschaftliches Schlamassel wegzuräumen gilt – und im Nachhinein ist man immer schlauer. Aber jetzt einmal: Osterfriede!