"Bibi Sara Kali": Auf den Spuren der eigenen Identität
Von Dennis Miskic
Die Geschwister Snezana (Simonida Selimović), Tanja (Jasmin Behnawa) und Melisa (Zeynep Alan) fahren in das serbische Heimatdorf ihrer Mutter und beginnen damit die Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Identität. Jelena, die Mutter der Geschwister, die unterschiedlicher kaum sein könnten, ist nach Boljevac gefahren, um Bibijako Dive ("Tag der Tante") zu feiern und kurz darauf gestorben. Der Festtag wird jedes Jahr zum 31. Jänner gefeiert, derselbe Tag, an dem das Theaterstück in WERK X-Petersplatz zum ersten Mal in Wien aufgeführt wurde.
In “Bibi Sara Kali” wird die Konfrontation mit der fremd gewordenen Roma-Kultur und ihren Bräuchen selbstironisch, humorvoll und authentisch auf die Bühne gebracht.
"Es ist jedes Mal aufs Neue wunderschön, das Publikum so begeistert zu sehen. Auch unsere Geschichten erzählen zu dürfen, ist natürlich etwas Besonderes", sagt die Regisseurin Simonida Selimović im Gespräch mit dem KURIER. Sie selbst ist in Serbien geboren, aber mit sieben Jahren nach Wien gekommen. Durch das Aufwachsen in zwei Kulturen und kann sich auch selbst gut mit dem Identitätskampf der Geschwister identifizieren.
Rassismus: Von klein auf begleitet und geprägt
Das Gefühl von Scham und das Bedürfnis, die Identität als Rom*nja verstecken zu müssen, spielen eine wichtige Rolle im Stück. Die Schauspielerin verarbeitet damit Erfahrungen, die sie selbst gemacht haben. “Als Kinder mussten wir verheimlichen, dass wir Roma sind. Unsere Eltern hatten Angst, dass uns etwas passiert", sagt Selimović und spricht damit auch die Vorurteile und Stigmata, die der Community angehängt werden, an.
Die Regisseurin wurde in jungen Jahren damit konfrontiert. "Ich wurde in der Schule ausgegrenzt und beschimpft. Das hinterlässt Narben. Damit umzugehen ist etwas, was man zu Hause oder in der Familie einfach nicht lernt."
Von Roma für Roma
Seit Jahren setzt sich Selimović als Aktivistin, Schauspielerin und Kunstschaffende dafür ein, die Rom*nja-Community sichtbarer zu machen und ihnen ein Gehör zu verschaffen. Mit ihrer Schwester, Sandra Selimović, gründete sie 2010 den Verein “Romano Svato", um in Theater, Rap und Performances Themen wie Rassismus, Sexismus und Identität behandeln zu können und diejenigen zu repräsentieren, die sonst nicht repräsentiert werden. Ein Großteil der Schauspieler*innen und Musiker*innen, mit denen sie arbeiten, sind auch Roma.
"Ein Grund, weshalb wir den Verein gegründet haben, war auch, um der Stigmatisierung entgegenzuwirken. Mit unserer Hautfarbe und unserem Nachnamen bekommen wir stigmatisierte Rollen bekommen und keine, die gut recherchiert sind und aus einer respektvollen Perspektive für unsere Community erzählt werden", erklärt Selimović.
Sie kritisiert an der Branche auch: "Sie wollen keine Geschichten von den Migranten. Sie interessieren sich nicht für unsere Geschichten" In einer elitären Szene wie Kunst und Kultur sei es aber oft schwer, die eigene Community, die Zielgruppe, die mit diesem Theater angesprochen werden soll, ins Publikum zu locken. "Ich sehe eine Besserung. Unsere Leute gehen immer mehr ins Theater. Diese Produktion war immer ausverkauft."
"Bibi Sara Kali" entstand nach einer Idee der Wiener Schauspielerin Simonida Selimović. Aus persönlichen Erfahrungen, dem Gedächtnis der jahrhundertelangen Geschichte der Rom*nja und aktuellen Vorfällen haben der Wiener Autor Ibrahim Amir, das Ensemble und Team eine Tragikomödie entwickelt, die in der Bibi Sara Kali eine Göttin des Widerstands und Überlebens findet. Ursprünglich als Theaterinszenierung geplant, wurde das Stück 2021 als Filmfassung unter der Regievon Nina Kusturica entwickelt. Zwei Jahre später betreten Bibi und ihr Team die Bühne endlich live.
Aufgrund der Pandemie konnte das Stück lange nicht aufgeführt werden, weshalb die Produzent*innen es zuerst verfilmt haben. Die Filmfassung kann auf der Website von Romano Svato gestreamt werden: https://www.romanosvato.at/romflix