Gar nicht bitter: Tonic schmeckt auch ohne Gin
Von Ingrid Teufl
Bitterlimonade – das klingt wie ein Widerspruch in sich. Gleichzeitig trifft diese Bezeichnung das Wesen von Tonic Water exakt: Ein aufgrund seines Kohlensäuregehalts sprudelndes, alkoholfreies Erfrischungsgetränk mit typischen Bitternoten.
Spätestens seit der Renaissance von Gin Tonic rückte auch die Limonade wieder verstärkt ins Bewusstsein: Supermärkte schlichten längst mehr Sorten in die Regale als ausschließlich die Flaschen des Platzhirschs „Schweppes“. Bars unterbreiten ihren Gästen seitenweise ihr Tonic-Angebot, und Feinspitze diskutieren, welches Tonic am besten mit welchem Gin harmoniert.
Vom Begleiter zum Mittelpunkt
Längst ist die Limonade selbst vom Begleiter zum Mittelpunkt geworden. Die unterschiedlichen Geschmacksnuancen werden mittlerweile pur ebenso erschmeckt und nicht nur mit dem passenden Gin. Auch Wodka, Wermut und sogar Wein harmonieren im Glas. Da liegt es praktisch auf der Hand, dass nun auch abseits großer Produzenten getüftelt wird – ganz nach persönlichen Bedürfnissen und Anforderungen.
„Wir hätten selbst nicht gedacht, dass Tonic so ein Boom wird. Da gibt es viel Potenzial“, sagt Reinhard Mattes.
Der Winzer aus dem Weinviertel entwickelte mit dem befreundeten Fruchtsafthersteller Thomas Voglsam im Vorjahr ein Tonic für ein Mischgetränk mit Wein – „Vintonic“. Davor probierten sie etliche im Handel erhältliche Tonics, aber keines passte perfekt. „Wir haben festgestellt, dass wir das selber in die Hand nehmen müssen, weil sich ja auch der Wein verändert. Da kommt manchmal zu viel Säure durch, das ist eine heikle Balance.“
Birgit Wiederstein aus Göttlesbrunn (NÖ) ist ebenfalls Winzerin, und an im Handel erhältlichen Tonic Waters störte Grundsätzliches: „Die meisten sind einfach zu süß. Ein Tonic muss nicht immer so gefällig sein.“ Zweiter Grund: „Wir wollten ein passendes Tonic, das mit unserem Gin harmoniert.“ Diesen brennt Birgits Mutter Grete seit einigen Jahren in mehreren Sorten.
Viele Versuche
Auch wenn Tonic Water vereinfacht gesagt nichts anderes als Wasser ist, das mit Kohlensäure und Chinin – nebst Zucker und Gewürzen – versetzt wird: Gar so einfach ist das aber nicht mit
den Ingredienzen. Wiederstein recherchierte und experimentierte zwei Jahre lang mit Gewürzen, Kalt- und Heißauszügen. „Es waren wirklich viele Versuche nötig, bis wir die richtige Mischung fanden.“ Schließlich ging es nicht nur darum, wie viel Bitterstoffe nötig sind, damit es auch aufgespritzt noch ausgewogen schmeckt oder welche Gewürze und Geschmacksträger die richtigen Noten verleihen.
Mattes und Voglsam begannen, Chinin und Zitronengras einzulegen, „so ähnlich, wie man Holundersaft ansetzt“, erinnert sich Mattes. Man habe sich an die Rezeptur herangetastet. Seit der Markteinführung von „Vintonic“ wird aber nach wie vor jede Charge vorverkostet und nochmals angepasst.
Chinin
Je mehr Chinin, desto mehr Bitterkeit. Schon die Engländer suchten dies mit Gin zu übertünchen, um sich etwa in ihren indischen Kolonien gegen die gefürchtete Malaria zu wappnen. In Frankreich nahm man die getrocknete Chinarinde hingegen gern mit Wein zu sich. Mit der Erfindung von synthetischem Chinin 1944 wurde die wichtige Zutat billiger – und punktgenau dosierbar.
Birgit Wiederstein verwendet dennoch lieber natürliches Chinin. „Ich finde, Aroma-Chinin, das in den meisten Tonics vorkommt,hat einen medizinisch-metallischen Geschmack. Natürliches Chinin färbt zwar, hat dafür aber eine schöne Bitterkeit. Damit kann ich außerdem die gesamte Bandbreite einschließlich der Aromen der Chinarinde nutzen.“
Natürliche statt synthetischer Chinarinde zu verwenden, ist übrigens ein wachsender Trend, auch bei großen Produzenten wie etwa „Fever Tree“. Statt auf Zitronensäure setzt Wiederstein bei ihrem „stonic“ auf Verjus, den Saft unvergorener Trauben – die Winzerin schlägt also sogar beim Tonic-Brauen durch.