Entspannung pur: Moorbaden und Waldwandern in Bad Großpertholz
Von Axel Halbhuber
Balance. Es geht um die Balance, doziert Edita in fehlerfreiem Deutsch mit tschechischem Akzent. Im Besonderen geht es ihr gerade bei der computerunterstützten Muskelanalyse MFK um die Balance, eine neue Untersuchungs-/Therapieform, die hier im Gesundheitshotel Bad Großpertholz eine Spezialität ist. Die Muskeln im Körper werden dabei manuell getestet, die Ergebnisse in den Computer eingegeben, der dann schwuppdiwupp sagt, wie der Körper ausbalanciert ist. Ich persönlich hänge etwas nach links.
Solche neuen Methoden kommen heutzutage immer mit einem generalistischen Anspruch daher und deswegen bezieht Edita in jedem dritten Satz die Ergebnisse auch auf das Leben. Im Allgemeinen geht es um die Balance zwischen all dem, was man den ganzen Tag tun muss, tun will, tun kann und tun darf. „Work-Life-Balance“ sagt heute niemand mehr, dieses platte Schlagwort hat sich längst spezialisiert. So wie die gesundheitsbezogenen Urlaube es haben.
Kur und Privatretreat
Eben darauf hat sich das „Gesundheitshotel Moorbad Bad Großpertholz“ spezialisiert, und auf den Bewegungs- und Stützapparat. Das Kurhotel empfängt immer öfter auch Menschen, die sich einfach eine Woche Gesundheitsurlaub leisten, generell ein großer Trend.
So ist es nun ein Hybrid zwischen Kurhaus und Retreat, wo Dreiwochen-Kassenpatienten auf Private treffen. Und das funktioniert gut, sagt auch der Kurarzt Werner Tölle: „Alle sind sehr motiviert, gesünder zu werden.“ Der weißhaarige Deutsche wirkt wie eine Kurarzt-Filmvorlage, er zog einst nach Wien und dann hierher an den äußersten Rand des Waldviertels, wo eben auch tschechische Physiotherapeutinnen gute Arbeit leisten und über Balance sprechen.
Die stellt sich hier auch abseits der Behandlungen schnell ein. Gleich hinter dem Kurhaus fängt die Walderholung an und man möchte gar nicht glauben, wie schnell man in so dem tiefen, satten, teils wilden Grün dieser Wälder mit den großen Granitsteinen in eine Balance kommt.
Der Wald als Star
Dabei wird diese Lage und das Waldwerk vom Gesundheitshotel – seit 55 Jahren in Gemeindebesitz und 2018 völlig renoviert und teils umgebaut – überraschend wenig beworben.
Andere touristische Regionen würden das auf Plakate brüllen und in Schneekugeln packen, hier sagt man nur: „Ja, da kann man sehr gut wandern, spazieren und biken“, weshalb es übrigens im Hotel extrem gut gewartete Bikes auszuborgen gibt. Die Radrouten sind gut beschildert und vielleicht die beste Art, die weitläufigen Wälder zu entdecken, entlang des Flüsschens Lainsitz oder der Staatsgrenze, durch den riesigen Reichenauer Wald oder den Naturpark Nordwald.
Aber mit dieser pathetischen Ruhe und Tiefe der Wälder wird nicht angegeben, man redet lieber über das Moor. Das ist hier der Signature Dish, begegnet einem ständig, beim Gesundwerden als Bad und Packung. Aber dass dieser quasiskandinavische Wald hier im oberen Waldviertel (nicht bloß Waldviertel, „oberes“ Waldviertel!) nicht nur Kulisse, sondern Mittel zum Balancekriegen ist, sagt einem niemand, nicht einmal Edita.
Neben den Anwendungen (sehr gute Heilmassagen!) wird im Hotel auch Nachmittagsprogramm von Nordic Walking bis Yoga, von Teewanderung bis Klangschalen-Meditation angeboten. Das Haus hat nur 96 Betten und wirkt daher nie überfüllt – und nie üppig: Essen und Buffet sind gut, aber überschaubar. Wellness besteht nur aus Sauna, Dampfbad, Infrarot und Pool. Mehr braucht es auch nicht, spürt man auf dem Weg zur balancierten Gesundheit, von den barocken Thermenaufenthalten kam man eh noch nie leichter und fitter zurück. Das hier wirkt nachhaltiger, spürt man nach ein paar Tagen, in denen man sich viel bewegt, den Wald auswendig gelernt und die totale Balance gefunden hat.