Lifestyle

Leder aus Ananas, Eukalyptus und Pilzen

Laut der Tierschutzorganisation PETA werden jährlich über eine Milliarde Tiere von der globalen Lederindustrie geschlachtet und deren Häute zu Kleidung, Möbeln und Accessoires verarbeitet. Der Großteil der in den USA und Europa produzierten und verkauften Lederprodukte stammt dabei von Kuh- und Kalbshäuten, aber auch Pferde, Hunde, Katzen, Phytons und Alligatoren werden wegen ihrer Haut getötet.

In Billiglohnländern wie Bangladesch hat sich eine florierende Lederindustrie entwickelt: Aus dem benachbarten Indien werden Hindus die „heiligen“ Kühe laut PETA um etwa 60 Euro billig abgekauft und mehrere tausend Kilometer über die Grenze geschmuggelt. Werden den Kühen die Strapazen des Transportes zu viel und brechen sie zusammen, werden sie geschlagen, ihnen Chili und Tabak in die Augen gerieben, damit sie weitermarschieren. In Bangladesch angekommen wird den Tieren die Kehle durchgeschnitten, oft sind sie noch bei Bewusstsein, wenn ihnen die Haut abgezogen wird. „Wenn Verbraucher hier durchgehen würden, würden sie gar keine Lederschuhe mehr kaufen“, schildert ein PETA-Mitarbeiter in einer Dokumentation über die Lederproduktion in Asien.

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Schadstoffe

Anschließend wird die Haut gegerbt, in mehr als 90 Prozent der heute vermarkteten Lederprodukte passiert das mit Chrom, einem giftigen Schwermetall, das Allergien auslösen kann und krebserregend ist. Dabei kommt Chrom VI nicht nur in Billiglohnländern wie Bangladesch – wo Arbeiter und Kinder teils barfüßig durch verunreinigte Gerbstoffe stapfen – zum Einsatz, sondern durchaus auch in Gerbereien in Spanien und Italien. Und zwar immer dann, wenn durch Schlamperei chemische Grundkenntnisse unberücksichtigt bleiben.

Aber auch andere belastende Materialien wie Kalkschlamm, Sulfide und Säuren gelangen durch den Gerber-Prozess in die Flüsse und somit ins Grundwasser; Leder könne nur etwas mehr als 60 Prozent des während der Gerbung eingesetzten Chroms aufnehmen, die restliche Menge gelangt ins Wasser. Sogar Branchenkenner zweifeln längst an dem angeblichen Naturprodukt, wie der Geschäftsführer eines der größten deutschen Schuh-Filialisten dem Spiegel verrät: Er ist der Auffassung, dass Leder inzwischen ein fast unkalkulierbares Risiko sei.

Fehlende Kennzeichnung

Will der Verbraucher wissen, woher große Handelsketten oder Marken ihr Leder beziehen, gibt es sehr oft keine klaren Antworten. Eine „Made in Germany“-Etikette bezieht sich beispielsweise rein auf die Verarbeitung und nicht auf die Rohstoffe wie das Leder. Dabei stellen Chemikalien im Leder auch für den Konsumenten ein erhebliches Risiko dar. Die deutsche Zeitschrift ÖKO-TEST untersuchte 2013 lederne Krabbelschuhe für Kleinkinder, bei sechs von zehn Schuhen war eine bedenkliche Menge an Chrom IV enthalten. Eltern sollten ihre Kinder barfuß laufen lassen, zeigte sich der Kinderarzt Falko Panzer angesichts des Testergebnisses besorgt.

Doch auf welche Alternativen kann man zurückgreifen? Oft sind auch synthetische, erdölbasierte Stoffe – für die allerdings kein Tier leiden musste – mit diversen Schadstoffen belastet. Die wohl überraschendste Pflanze, aus der man günstiges, nachhaltiges und tierleidfreies Naturleder herstellen kann, ist die Ananas.

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Die spanische Designerin Carmen Hijosa hat auf den Philippinen eine ökologische Alternative zum Tierleder entdeckt: die Fasern von Ananasblättern, die nach der Ernte normalerweise nicht genutzt werden und als Abfallprodukt entsorgt werden. Sieben Jahre hat sie an dem Pflanzenleder „Piñatex“ („Piña“ bedeutet auf Spanisch „Ananas“) getüftelt und ihr eigenes Start-up „Ananas Anam“ gegründet. Anhand eines Verfahrens werden die Fasern in nichtgewobenen Textilstoff umgewandelt, die dabei übrig bleibende Biomasse kann zu Dünger oder Biogas weiterarbeitet werden, was für die Bauern eine zusätzliche Einnahmequelle darstellt. Für einen Quadratmeter von Piñatex werden die Blätter von 16 Ananas benötigt, diese können alle 14 Monate geerntet werden.

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Aus dem Ananas-Leder lässt Hijosa Kleider, Schuhe, Taschen, Handyhüllen und Sofas in Barcelona herstellen, sogar die Innenausstattung von Autos soll möglich sein, sagt die Designerin und Firmengründerin. Sie plant aber auch antibakterielle Wundverbände und Wärmeisolierungen, da das Material Luftzirkulation zulässt. Schuhhersteller wie Puma und Camper haben bereits Modelle aus dem Ananasleder produziert, die Designerin Ina Koelln arbeitet an einer kompletten Kollektion, inklusive Rucksäcken und Handtaschen. Modeschöpferin Mayya Saliba nähte die ersten Kleidungsstücke aus dem Ananas-Material und präsentierte diese bei der Berlin Fashion Week.

Das deutsche Modelabel „Bleed“ setzt auf Kork als Lederalternative. Das natürliche Material ist robust, atmungsaktiv und leicht, die Korkeichen werden nicht gefällt, die Rinde wird nur abgeschält und wächst nach. Mithilfe einer Crowdfunding-Kampagne konnte das zwei Jahre lang geplante Projekt umgesetzt werden und das Start-up stellt neben Portemonnaies und Gürtel auch Rucksäcke und die erste vegane Lederjacke in Portugal her.

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Pilz-Kunst

Das italienische Unternehmen Grado Zero hat sich auf die Herstellung von High-Perfomance-Textilien spezialisiert und ein Pilz-Leder namens "Muskin" entwickelt. Dabei wachsen Pilze in ein vorgegebenes Gewebe, das anschließend ähnlich dem Gerberprozess, allerdings ohne Chemikalien, weiterverarbeitet wird.

Bis jetzt gibt es zwar noch keine fertig verarbeiteten Textilien aus Muskin, allerdings verkauft die Firma aus Florenz bereits Probeexemplare des Materials, das atmungsfähig und wasserabweisend ist.

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Papier-Sache

Die Näh- und DIY-Szene hat einen neuen Star: SnapPap. Das ist ein reißfestes Papier in Lederoptik, das aus Zellulose und Latex besteht, sich in der Waschmaschine waschen lässt und frei von BPA oder PVC ist. Das Besondere an diesem Material ist die vielfältige Einsetzbarkeit, es lässt sich vernähen, plotten, kleben, bedrucken oder stanzen und eignet sich insofern besonders für Taschen, Geldbörsen oder Federpennale.

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Eukalyptus-Geschmack

Weg von tierischen und synthetischen Stoffen, hin zu natürlichen und nachwachsenden Stoffen war auch das Ziel bei der Entwicklung der veganen Lederalternative aus Eukalyptusfasern, die in einer gen- und pestizidfreien Forstwirtschaft gedeihen. Die sogenannte Tencelfaser stammt von südafrikanischen Eukalyptusbäumen, bei deren Verarbeitung auch soziale Mindestkriterien bei den Erntehelfern erfüllt werden müssen. Das Pflanzenleder von Vegatar ist langlebig, abriebsfest, strapazierfähig, weich und leicht zu reinigen – besteht allerdings nur zu 80 Prozent aus natürlichen Rohstoffen, 20 Prozent sind noch erdölbasiert.

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