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Was Sie über die Spieltheorie wissen müssen

Wenn in den vergangenen Monaten in den Medien das Wort Spieltheorie verwendet wurde, dann meist in Zusammenhang mit Yanis Varoufakis – bis vor kurzem Finanzminister Griechenlands. Der Ökonom soll die Theorie nicht nur gekannt, sondern auch angewandt haben. Jetzt hat der Mathematiker Rudolf Taschner ein Buch mit vielen Geschichten über die Geschichte der Spieltheorie geschrieben.

KURIER: Was ist die Spieltheorie, gibt es eine Definition?

Rudolf Taschner:Die Idee ist, dass man fast alles verstehen kann, wenn man es als Spiel sieht: die Wirtschaft, die Politik oder den Krieg. Wie im Spiel kommen Menschen zusammen, und jeder weiß, dass er verlieren oder siegen kann. Manchmal gewinnen alle – oder es verlieren alle, wie beim Gefangenendilemma, das ich in meinem Buch beschreibe. Dann gibt es noch verschiedene Spiele: Falschspiele wie das Hütchenspiel, wo ich sicher verliere. Oder das eindimensionale Glücksspiel wie Roulette, wo ich vom Zufall abhängig bin. Und dann gibt es Partnerspiele, wo ich einkalkulieren muss, wie der andere reagiert.

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Wie kann ich das mathematisch umsetzen?

In dem ich analysiere: Wie schaut dieses Spiel aus. Welche Strategien entwickeln die Beteiligten? Dann muss man abstrahieren. Das einfachste Spiel ist das Pokern mit zwei Karten, wo es nur zwei Möglichkeiten gibt. Weitaus komplexer sind Anwendungen wie die der RAND Cooperation (Abkürzung für Research and Development), die die Kubakrise spieltheoretisch erforscht und John. F. Kennedy beraten haben soll. Es wurde ein riesiges Tableau von Vorteilen und Nachteilen erstellt: Wenn die USA diesen Spielzug machen, passiert das. 3000 mögliche Züge von Freund und Feind wurden skizziert. Eine Matrix von 3000 mal 3000 – da braucht es einen Computer, um alle Möglichkeiten zu berechnen. Dem Präsidenten wurden geraten: Hier musst du lügen, da die Wahrheit sagen, dort schweigen, weil wir wissen, dass der andere wahrscheinlich da lügt, da die Wahrheit sagt, dort schweigt. Wie in einem Spiel. Kompliziert. Aber wir erklären es mit dem Einfachen.

Wie sinnvoll ist die Spieltheorie in der Ökonomie, wo es derzeit viele Verwerfungen gibt?

Die Spieltheorie wurde von einem Ökonomen erfunden, dem Österreicher Oskar Morgenstern, der sie mit John von Neumann, entwickelt hat. Beide forschten Mitte der 40er Jahre in Princeton/USA. Neumann war ein leidenschaftlicher Pokerspieler und wollte verstehen, wie das vor sich geht, wenn ich mit jemandem anderen spiele. Die beiden sind auf die Idee gekommen, wirtschaftliches Verhalten als Spielverhalten zu modellieren. Sie haben aber nur Nullsummenspiele betrachtet: Was einer gewinnt, das verliert der andere. Im Krieg ist das günstig. Später kam der Mathematiker John Nash auf die Idee: Es gibt auch Win-Win. Das wurde von der Wirtschaft angenommen.

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Ein konkretes Beispiel?

Etwa das Chickenspiel – wer als erstes zurückweicht, hat verloren. Nehmen Sie einen Bahnhof, in dem zwei Buchhandlungen eröffnen wollen. Machen beide auf, konkurrieren sie sich zu Tode. Also muss ich als Händler dafür sorgen, dass ich das Geschäft eröffne. Der andere denkt das gleiche. Halten sich beide zurück, verlieren beide, weil dann ein Dritter den Zuschlag bekommt. Gelöst werden die Probleme mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Sind Mathematiker im Vorteil, die die Spieltheorie kennen?

Neumann hat das Pokerspiel analysiert und war ein lausiger Pokerspieler. Theorie und Praxis liegen also weit auseinander.

In Ihrem Buch erzählen Sie viele Geschichten. Z.B. über Marilyn vos Savant, die das Ziegenproblem gelöst hat (s. Grafik unten).

In den USA ist Narrative Nonficiton ein Trend: Das ist ein Sachbuch mit Szenen wie einem Roman. Ich habe mir vorgestellt, wie die Menschen, über die ich schreibe, damals gesprochen haben. Mit diesem Trick spürt man nicht, dass Mathematik eine trockene Wissenschaft ist.

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Rudolf Taschner: „Die Mathematik des Daseins – Eine kurze Geschichte der SpieltheorieHanser Verlag. 252 Seiten. 22,60 Euro.

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