Die Kraft zur Selbstheilung fördern
Von Ernst Mauritz
Seit 35 Jahren durchleuchtet der Wissenschaftspublizist und ehemalige Krebspatient Kurt Langbein, 60, kritisch das Gesundheitssystem und zeigt Missstände auf – vor allem im Bereich der Schulmedizin. In seinem neuesten Werk „Weißbuch Heilung“ geht er weit darüber hinaus: Alternative Heilmethoden seien entscheidend, um Selbstheilungskräfte zu unterstützen.
KURIER: Was war der Grund für Sie, sich mit Verfahren außerhalb der Schulmedizin zu beschäftigen?
Kurt Langbein: Zum einen Erkenntnisse der modernen Hirnforschung. Diese zeigen, dass die Entwicklung und Aktivierung unserer Selbstheilungskräfte stark von einer – vereinfacht gesagt – Balance im Hirn abhängt. Mentale Dinge wie Wille, Glaube oder persönliche Überzeugungen haben einen unterschätzten Einfluss auf körperliche Prozesse.
Auf der anderen Seite bin ich durch meine Krebserkrankung nachdenklicher geworden. Ich habe die Chance genützt, die mir die Schulmedizin geboten hat, indem sie vor vier Jahren meinen Tumor in der Prostata entfernt hat. Ich habe alle schulmedizinischen Therapien in Anspruch genommen. Aber ich musste die Schulmedizin auch in ihrer unpersönlichen Enge kennenlernen.
Inwiefern?
Die Schulmedizin ist nach wie vor auf Organfunktionen und deren Reparatur zentriert. Sie ist bei einer schwerwiegenden Erkrankung unverzichtbar, damit überhaupt Heilungschancen bestehen. Aber Heilung ist ein Prozess, der viel mehr als nur einer Reparatur bedarf. Der Schulmedizin ist das Wissen um den Einfluss der Psyche auf Krankheits- und Genesungsprozesse abhanden gekommen. Manche Kliniken in Deutschland und den USA versuchen deshalb schon, Naturheilkunde und Schulmedizin auf eine vernünftige Art zu vereinen. Wenn heute immer öfter von einer „Mind-Body-Medizin“ („Psyche-Körper-Medizin“) die Rede ist, ist das eigentlich nur eine Weiterentwicklung der alten Ordnungstherapie von Pfarrer Kneipp, wonach Gesundheit auf mehreren Pfeilern steht. Der Körper ist nur einer. Die Beschäftigung mit der mentalen Komponente – sei es etwa über Spiritualität, Hypnose, Yoga oder Meditation – ist genauso wichtig.
Sie schreiben selbst, dass dieser Bereich von einem „Sammelsurium moderner Esoterik-Strömungen“ dominiert wird. Ist nicht die Gefahr von Scharlatanen groß?
Keine Frage. Aber ich wollte die positiven Seiten herausstreichen: Es gibt außerhalb der Schulmedizin Prozesse, die Heilung anstoßen und unterstützen und über das hinausgehen, was wir heute schon wissen. Offenbar existieren Kommunikationsprozesse im Körper, die wir noch gar nicht verstehen, sondern manchmal nur staunend beobachten können. Es gibt sehr sensible Menschen – Therapeuten oder Heiler – die mit geistigen Fähigkeiten Selbstheilungskräfte anstoßen und einen Veränderungsprozess bei den Betroffenen auslösen können. Ich habe mehrere Dutzend Menschen mit sogenannten Spontanheilungen getroffen: Alle hatten schulmedizinische Maßnahmen durchgeführt, alle hatten irgendeine Form von Mentaltraining gemacht. Alle hatten einen seriösen Therapeuten aus den unterschiedlichsten Berufen, der sie zuverlässig und empathisch begleitete. Und alle haben versucht, ihr Leben neu zu definieren. Denn ohne eigenes Zutun geht es nicht. Das heißt jetzt nicht, dass jeder, der sich auf diesen Weg einlässt, geheilt wird. Aber er nützt seine Chance.
Welche Therapien haben Sie selbst durchgeführt?
Ich mache immer noch eine onkologische Psychotherapie, die mir geholfen hat, mit meinen Gefühlen besser umzugehen. Seit einiger Zeit meditiere ich auch. Das bringt mir eine tiefe Entspannung, die ich vorher so schon lange nicht gekannt habe. Und ich habe eine Misteltherapie absolviert, von der es Hinweise gibt, dass sie – zumindest für eine gewisse Zeit – das Immunsystem stimuliert.
Wie hat Sie die Diagnose Krebs selbst verändert?
Die Diagnose Prostatakrebs vor vier Jahren war ja nicht meine erste Krebsdiagnose. Ich habe also ein ordentliches Gewitter gebraucht, um ein bisschen mehr über mich nachzudenken. Mein Körper hat mir sehr deutlich gesagt: Ändere dich, so geht es nicht mehr weiter. Ich bin achtsamer geworden – gegenüber mir selbst, aber besonders auch gegenüber der Umwelt, meinen Bekannten, Freunden und – wie ich glaube – auch gegenüber meinen Kollegen. Und das tut mir gut.