Warum bei der Fußball-EM so viele die gleiche Frisur haben
Von Julia Pfligl
Als die deutsche Nationalelf zum ersten Mal bei dieser Europameisterschaft auflief, stellten sich sofort nostalgische Gefühle ein. Nicht nur das eingespielte Trio Neuer/Kroos/Müller, vor allem die Frisuren auf dem Platz kamen vielen Zusehern altbekannt vor: Auffallend viele Spieler (Kroos, Wirtz, Andrich, Füllkrug) trugen die Haare seitlich und im Nacken abrasiert und den verbleibenden Rest (man könnte sagen: das zentrale Mittelfeld) akkurat in Form gebracht. „Fade Cut“ – wegen des nahtlosen Verlaufs („fade“ heißt „verblassen“) zum Deckhaar – nennt sich der Haarstil, der bei dieser Endrunde ein überraschendes Revival erfährt.
Denn: „Eigentlich ist dieser Schnitt schon passé und man trägt das Haar seit der vergangenen Saison nicht mehr so abgeschoren“, wundert sich Hannes Steinmetz, Geschäftsführer von Steinmetz-Bundy Privatsalon. Der Experte vermutet, dass der seitliche Kahlschlag für die Athleten in der Sommerhitze einfach angenehm zu tragen ist. „Schließlich muss die Frisur der Spieler bei der Europameisterschaft ja das gesamte Turnier über halten und gut aussehen – und das können je nach Erfolg der Teams bis zu fünf Wochen sein.“
Über kurz oder lang
So pragmatisch wie die Deutschen denken freilich nicht alle Profis. Wout Faes (Belgien) steht zu seiner lockigen „Gnackmattn“, auch Luka Modrić (Kroatien) und Marcel Sabitzer (Österreich) sind ihren Langhaarfrisuren seit Jahren treu. Steinmetz ortet aber noch einen zweiten großen Trend, der nichts mit der Länge zu tun hat. „Coloration! Und zwar so, dass es nicht sofort auffällt, dass das Haar gefärbt ist.“ Was man wiederum von Nico Williams (Spanien) und Andrei Ratiu (Rumänien) nicht behaupten kann. Letzterer beschäftige mit seinen blauen Haaren das Netz und warf die Frage auf, ob er eine Wette verloren hätte.
Zurück zum Fade Cut: Auch Österreichs Marko Arnautovic trägt eine Variante der Trendfrisur, kann den Experten damit aber nicht ganz überzeugen. „Der Hinterkopf von Arnautovic ist ein No-go. Gott sei Dank hat sich diese Frisur noch niemand bei mir gewünscht. Ich würde sie nicht schneiden!“, sagt Steinmetz. „Wenn man ein Dreieck dieser Art bei einer Prüfung oder einem Frisurenwettbewerb schneidet, fällt man durch.“
Der Schönste
Gut aussehen wollen sie alle, das antwortete ein sehr ordentlich gegelter Emre Can (Deutschland) kürzlich auf die Frage, ob er sich auch nach dem Auftaktspiel habe frisieren lassen. Ein Stylist im Teamquartier ist im Instagram-Zeitalter kein Luxus mehr, sondern eher eine Notwendigkeit.
Die Stil-Trophäe würde Hannes Steinmetz dennoch einem Italiener überreichen. „Mattia Zaccagni trägt den exaktesten Kurzhaarschnitt mit interessanten Proportionen – cool und fachmännisch perfekt erarbeitet.“
Der ultrakurze Fade Cut wird übrigens mittlerweile von allen Geschlechtern getragen. Gut möglich also, dass er bei den Olympischen Spielen schon bald seinen nächsten großen Auftritt hat. Allen, die den Look nachahmen wollen, rät Steinmetz: „Lassen Sie sich die Haare nicht so kurz schneiden, dass man die Kopfhaut durchsieht. Das schaut ästhetischer, harmonischer und viel moderner aus. Ich nenne diese Version den ‚not completely Fade Cut’“.