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Chronischer Juckreiz: Viele sind betroffen, nur wenige kennen den Auslöser

Langärmelige Hemden im Hochsommer um den ständigen Drang, sich zu kratzen, zu verhindern. Cortison-Salbenwickel am gesamten Körper gegen den quälenden Juckreiz. Und dazu ein wachsendes Gefühl der Hilflosigkeit, das nicht nur die Lebensqualität, sondern auch das Familienleben beeinträchtigt. "Ich habe mich sehr zurückgezogen. Wenn die Haut ständig entzündet ist, schämt man sich auch und will weder Kontakte noch Berührungen."

So drastisch schildert Emmerich Musch seinen jahrelangen Leidensweg mit chronischer, spontaner Urtikaria – eine entzündliche Hauterkrankung, bei der ein Zusammenhang mit Autoimmunprozessen (überschießende Reaktion des Immunsystems) besteht. Sie betrifft jeden vierten Menschen mindestens ein Mal in seinem Leben. Zwei Prozent leiden unter chronischen Formen.

Risiko unterschätzt

Das Erkrankungsrisiko wird in der Bevölkerung deutlich unterschätzt, wie eine repräsentative Online-Befragung von "marketagent" im Auftrag von Novartis (1059 Befragte) zeigt. Das bekam auch Emmerich Musch immer wieder zu spüren. "Erschwerend war, dass die Krankheit, die aus heiterem Himmel auftrat und nicht mehr wegging, in meinem sozialen Umfeld nicht bekannt war. Daher kam auch wenig Verständnis oder Unterstützung."

Dermatologe Univ.-Prof. Georg Stingl beschäftigt sich täglich mit Patienten wie Musch. Der Leiter der klinischen Abteilung für Immundermatologie und infektiöse Hautkrankheiten an der MedUniWien sieht in einem neuen Therapieansatz mit einem monoklonalen Antikörper (Omalizumab) neue Optionen für schwere Fälle, bei denen kein Krankheitsauslöser zu finden ist. Stingl ist auch einer der Referenten beim nächsten Gesundheits-Talk (Details unten). "Die Wirkung ist überzeugend und spektakulär." Der Einsatz des neuen Medikaments wird aber nur dann von den Kassen übernommen, wenn andere Medikamente wie Immunsuppressiva keinen Erfolg zeigen oder zu starke Nebenwirkungen auftreten.

Die Antikörper-Therapie ist eine Zufallsentdeckung aus der Asthma-Behandlung. Dort ist sie seit 2005 für sehr schwere Fälle zugelassen, bei denen der körpereigene Abwehrstoff Immunglobulin E (IgE) eine Rolle spielt. "Wir stellten fest, dass Patienten, die neben Asthma auch Urtikaria hatten, plötzlich keine Hautreaktionen mehr zeigten." Der Wirkstoff blockiert die Wirkung von IgE. Obwohl der Antikörper auch für Allergien bedeutsam ist, spielt dies – anders als etwa bei Neurodermitis – beim überwiegenden Großteil der Patienten keine Rolle. Die Annahme, dass Urtikaria einen allergischen Auslöser habe, ist aber weit verbreitet, zeigte die Befragung. Sogar viele Betroffene selbst halten Stress oder psychische Belastungen für die Ursache.

Urtikaria ist häufig nicht einfach zu behandeln, sagt Stingl. "Die Krankheit tritt aus dem Nichts auf. Bei zwei Drittel der Patienten wissen wir die Ursache nicht – und können das Problem daher nicht an der Wurzel packen, sondern müssen die Symptome bekämpfen."

Mentale Unterstützung

Die aktuelle Standardtherapie mit hoch dosierten Antihistaminika und Cortison, um die überschießende Reaktion der Haut zu unterdrücken, hilft zwar vielen Patienten. Auch mentales Training gegen den Juckreiz könne ein Teil der Therapie sein, betont Eva Lehner-Baumgartner, Leiterin der Abteilung klinische Psychologie am AKH Wien. "Das Schlimme ist, dass der Juckreiz immer da ist. Von psychologischer Seite her gilt es daher, Wege zu finden, um damit umzugehen."

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Chronischer Juckreiz ist das Thema des nächsten Gesundheits-Talks am Mittwoch, 11. 6., 18 Uhr.

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KURIER-Ressortleiterin Gabriele Kuhn diskutiert mit den DermatologenUniv.-Prof. Hubert Pehamberger(MedUni Wien), Univ.-Prof. Georg Stingl(MedUni Wien) undKatharina Matzinger(Betroffene).

Veranstaltungsort Van-Swieten-Saal der Medizinischen Universität Wien, Van-Swieten-Gasse 1a, 1090 Wien. Veranstalter sind der KURIER, die MedUni Wien und Novartis.

Der Eintritt ist frei.

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