Wo angehende Priester ihre Aussprache verbessern
Von Uwe Mauch
„Das erste Jahr in Himberg war hart, das zweite Jahr in Linz sogar noch schlimmer“, erzählt Kacper Kurczok in fast akzentfreiem Deutsch. Er ist vor fünf Jahren aus dem polnischen Oberschlesien nach Österreich gekommen, um hier Priester zu werden. Er musste dafür Hochdeutsch lernen, doch die Menschen in Himberg sprachen mit ihm himbergerisch und jene in Linz mühlviertlerisch.
Heute ist Kurczok 25 und hört mit drei anderen Priesterseminaristen genau zu, wenn die Sprach- und Akzenttrainerin Gabriela Mittendorfer zu ihnen spricht. Die 53-jährige Wienerin hat bereits an der Musikhochschule ihre Liebe zur deutschen Sprache und zur Sprachmelodie entdeckt. Nach acht Jahren als Redakteurin beim ORF hat sie sich 2004 selbstständig gemacht. Seither kamen gut 400 Kunden zu ihr, um ihre Aussprache zu verbessern. „Die meisten haben Deutsch nicht als Muttersprache gelernt, deshalb haben sie verständlicherweise mit ihren Akzenten Probleme“, so Gabriela Mittendorfer. Nicht nur Einheimische, die mehr im Dialekt als in der Hochsprache zu Hause sind, können ihnen wenig helfen, auch in den Sprachschulen werde zu wenig auf die richtige Aussprache Wert gelegt. Das Problem aus der Sicht der Akzenttrainerin: „Wer sich einmal ein falsches Sprachmuster angewöhnt hat, kann das nur mehr schwer korrigieren.“
„I kenn’ mi ned aus“
Die angehenden Priester lernen heute, warum die Kirche mit einem kurzen I ausgesprochen wird, und das Kloster mit einem langen O. Vieles folgt im Deutschen einer klaren Regel, doch Deutsch lebt nicht zuletzt davon, dass Ausnahmen die Regel bestätigen.
Warum das wichtig ist? Weil die Saat mit Doppel-A ganz etwas anderes bedeutet wie satt mit Doppel-T. Dazu erklärt der Regens des Priesterseminars in Wien: „Sich für alle verständlich auszudrücken, das ist unabdingbar in unserem Beruf.“ Am Sonntag in der Predigt, am Montag im Religionsunterricht, am Dienstag bei der Seelsorge in einem Seniorenheim, am Mittwoch bei einer Taufe oder einem Begräbnis – immer geht es darum, nicht nur die richtigen Worte zu finden, sondern diese auch im richtigen Ton auszusprechen.
„Wenn ich falsch Gelerntes endlich richtig ausspreche, klingt das am Anfang komisch für mich“, gibt Henry Igbokwe zu bedenken. Der 27-jährige Nigerianer kam vor weniger als drei Jahren nach Österreich. Erstaunlich, wie schnell er Deutsch gelernt hat. Dennoch finden sich noch immer genügend Menschen, die sich über seine Aussprache lustig machen.
Henry Igbokwe, der vom Stamm der Igbo im Osten seines Heimatlands abstammt, weiß längst, was ein Lackerl ist. Er kennt sich auch aus, wenn ihm ein Wiener gesteht: „I kenn’ mi ned aus.“ Dennoch gibt es immer noch Situationen, in denen er sich innerlich verkrampft, um ja nichts Falsches zu sagen. Für seinen Studienkollegen Maciej Janaszak aus dem niederschlesischen Breslau vulgo Wroclaw können wiederum jene Momente fatal werden, in denen er sich auf den Inhalt und nicht auf Grammatik und Aussprache konzentriert.
Vom „Vater“ zu „Vata“
Auf Marius Peries, der in einem Dorf auf einer kleinen Insel vor Sri Lanka mit zwei Muttersprachen aufgewachsen ist, wirken die 26 Buchstaben im Deutschen exotisch: „Wir haben in Tamil 247 und in Singhalesisch sechzig.“ Was der 31-Jährige auch nicht versteht: dass die Österreicher Vater schreiben und Vata sagen. Das sei in seinen Muttersprachen anders: „Da gilt, was am Papier steht.“
Zeit für ein Kompliment? Beim nächsten Kirchgang. Und für all jene Kollegen, die Deutsch auch nicht als Muttersprache gelernt haben.
Laut für Laut: Für die Nicht-Muttersprachler
Die Akzenttrainerin: Gabriela Mittendorfer hat ein Herz, eine schöne Stimme und ein Gehör für die deutsche Sprache. Seit dem Jahr 2004 bietet sie in ihrer Sprechwerkstatt Akzenttraining
für Nicht-Muttersprachler an.
Das Akzenttraining: Meistens im 1 : 1, aber auch in kleinen Gruppen bis 4 Personen, wird jeder Laut der deutschen Sprache, der Probleme bereitet, exakt erarbeitet. Nähere Infos:
www.akzenttraining.at