Leben/Gesellschaft

Warum der Mensch auf Hunde fliegt

Alle Inhalte anzeigen
Boo heißt der Hund mit dem ungewöhnlichen Teddy-Haarschnitt. 14 Millionen Fans hat der Zwergspitz aufFacebook lukriert durch Videos, die seine Besitzerin online stellte. Unsere Zuneigung zu Hunden haben wir allerdings lange vor Facebook entwickelt. Hunde sind die engsten Gefährten des Menschen, seit dieser vor 15.000 Jahren sesshaft wurde. Was aber macht diese Beziehung so außergewöhnlich?

In Wien trifft sich derzeit die Elite der Verhaltensforscher, um dieser und vielen anderen Fragen rund um Mensch und Hund nachzugehen. Etwa, wie Kleinkinder die Mimik von Hunden deuten. Oder welche Auswirkungen Tiere auf die Gesundheit ihrer Besitzer haben.

Dass wir uns für Tiere interessieren, beruht auf unsere Entwicklungsgeschichte, sagt der Verhaltensforscher Kurt Kotrschal. "Wir sind aufgrund unseres flexiblen Gehirns fähig, alle Lebensräume der Erde zu besiedeln. Dies haben wir erreicht, weil wir uns instinktiv für Dinge in der Natur interessieren." Also auch für Tiere.

Partnerschaft

Kotrschal, dessen Forschungsschwerpunkt Hunde und Wölfe sind, weiß, dass die Liebe zum Hund ebenso weit zurückgeht. "Die ersten Partnerschaften von Menschen und Hunden ergaben sich auf der Jagd. Wahrscheinlich sind wir schon mit zahmen Wölfen jagen gegangen, das funktionierte gut. Mit ziemlicher Sicherheit waren auch die ersten Heere der Menschheit Mensch-Hunde-Heere."

Warum trotzdem nicht jeder Hund und jedes Herrl miteinander können, bei anderen wiederum ein Blick genügt und alles funktioniert, zeigen Kotrschals aktuelle Untersuchungen. Aufmerksamkeit gegenüber dem Tier ist dabei ein wesentlicher Faktor: "Wenn ich den Hund immer an der Flexi-Leine herumschleppe und das Telefon am Ohr habe, dann wird sich keine Beziehung entwickeln." Bei den Auswertungen seiner Studien zeigte sich auch, dass Herzschlagrate und Stresshormone bei Mensch-Hunde-Paaren parallel laufen. In aufreibenden Situationen bedeutet das: Entweder bleiben beide cool, oder beide gehen in die Luft. "Das Wesen vom Hund, so wie er sich nach außen gibt, ist großteils durch den Halter bestimmt", sagt Kotrschal.

Temperament

Welpen kommen zwar mit einem gewissen Temperament auf die Welt, aber aggressiv macht sie der Besitzer. Durch den Umgang mit dem Tier zeigt so mancher Hundehalter erst sein wahres Gesicht. "Sie geben sich authentischer als beim Umgang mit Menschen. Da sind sie gehemmter, weil es gesellschaftliche Konventionen gibt." Egal, ob Schäfer, Pudel oder Retriever – unsere Gefährten wählen wir nach unserem Charakter aus. "Der Spruch: ,Wie der Herr, so’s G’scherr‘ trifft zu. Menschen wählen Hunde, die ihnen ähnlich sind, ohne dass es ihnen bewusst ist. Sichere Menschen haben sichere Hunde, ängstliche haben ängstliche."

Doch nicht alles, was wir bisher über Hunde wissen, stellte sich als richtig heraus. Eines der umstrittensten Forschungsthemen ist etwa die Frühkastration von Hunden, die während des Kongress diskutiert wird. Benjamin Hart, Verhaltensforscher von der University of California stellte fest, dass der Zeitpunkt des Eingriffs ganz entscheidend für die Gesundheit, aber auch für die Persönlichkeitsentwicklung des Tieres ist. "Wenn man Hunde, die zu großen Rassen gehören, kastriert, ehe sie sechs Monate alt sind, kann das später zu Gelenkserkrankungen führen. Selbst wenn man es vor dem ersten Geburtstag macht, gibt es Auswirkungen." Hart führt das auf das Fehlen von Sexualhormonen zurück, die für den Knochenaufbau wichtig wären.

Daher empfiehlt er für Golden Retriever, Labrador oder Schäferhund, mit der Kastration zu warten, bis sie ein Jahr alt sind, um spätere Probleme mit der Hüfte, den Knien und den Ellbogen zu verhindern. Für kleine Hunde hat er noch keine Daten, vermutet aber, dass die Probleme dort nicht so groß sind, weil nicht so viel Gewicht auf den Gelenken lastet.

Eines der großen Themen, das die Wissenschaftler auf dem Kongress in Wien beschäftigen wird, ist die Frage, warum etwa Kinder, die mit Tieren aufwachsen, ein robusteres Immunsystem haben und weniger Allergien bekommen. Im Verdacht stehen wiederum Tiere – diesmal ganz kleine: Bakterien und ihre ganz andere Zusammensetzung in Mensch-Tier-Haushalten stehen im Verdacht, hier eine ganz entscheidende Rolle zu spielen. Kotrschal: "Wie das funktioniert, ist noch unklar. Da wird einiges in Gang kommen."

...Hunde dafür sorgen, dass sogar Schulschwänzer gerne in die Klasse kommen? Die Anwesenheit eines Hundes wirkt sich positiv aus, weiß Verhaltensforscher Kotrschal. Laute Schüler werden leiser, und Stille kommen mehr aus sich heraus – die Fehlzeiten sinken ebenfalls.

... Hunde gute Nachhilfelehrer sind? Psychologen der Universität Bonn stellten fest, dass sich Kinder, die eine enge Beziehung zu ihrem Hund haben, bei dessen Anwesenheit länger und intensiver mit Hausaufgaben beschäftigen. Zudem hatten sie einen besseren Notendurchschnitt – in Mathematik und Physik.

...Hundebesitzer gesünder und glücklicher sind? Studien zeigen, dass sie eine geringere Stressanfälligkeit, niedrigeren Blutdruck und geringere Cholesterinwerte haben. Nach einem Herzinfarkt ist die Überlebensrate von Hunde-Besitzern acht Mal so hoch wie von Menschen ohne Hunde. Es zeigte sich auch, dass sie auf das Herrl bei Scheidung und Arbeitslosigkeit sozial stabilisierend wirken.

...auch Tiere allergisch auf Menschen reagieren? Schottische Tiermediziner fanden heraus, dass bei jedem zwanzigsten Haustier menschliche Hautschuppen Juckreiz und Ausschlag auslösen.

...wir mehr Mitleid mit Hunden als mit Menschen haben? Forscher der University of Boston belegten, dass wir jungen und älteren Tieren ähnliche Eigenschaften zuordnen wie Kindern: Sie sind wehrlos und können nichts dafür, wenn sie schlecht behandelt werden. Menschen werden hingegen als wehrhafter und selbstständiger betrachtet.