Leben/Gesellschaft

Relativ kompliziert: Wie Einstein die Welt veränderte

Wenn Albert Einstein nicht mehr weiter wusste, griff er zur Violine. In den acht Jahren, in denen er sich mit der Relativitätstheorie plagte, stand sein Geigenkasten immer parat. Doch weder die leidige Professur in Zürich, noch die Kriegswirren oder der Trennungskonflikt mit seiner ersten Frau Mileva trübten seine schöpferische Kraft. Die mathematischen Gleichungen, die er am 25. November 1915 der Preußischen Akademie der Wissenschaft vorlegte, veränderten die Welt.

Ohne sie gäbe es zum Beispiel kein GPS-System. Oder wir würden die Bewegung der Planeten nicht verstehen. Insbesondere jene vom Merkur, die Forscher lange vor ein Rätsel stellte und sie gar spekulieren ließ, ob es noch einen weiteren Planeten gibt, erklärt Physiker Daniel Grumiller, Mitglied der Jungen Kurie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Alle Inhalte anzeigen
Die Theorie der Schwerkraft beschäftigte Albert Einstein schon als Patentamtsangestellten in Bern. Die Vorstellung, dass sich eine Person, die sich im freien Fall befindet, ihr eigenes Gewicht nicht spürt, ließ ihn Gedankenexperimente anstellen. Auch als Professor in Zürich hätte er sich lieber darin vertieft, als Vorlesungen zu halten. Obwohl ihn die Studenten – trotz seines Auftretens in abgetragener Kleidung, zu kurzen Hosen, mit krauser Mähne und eiserner Uhrenkette – sehr schätzten. Seine Reden entstanden spontan, Stichwörter hatte er auf einem Visitenkarten-großen Zettel notiert. Das bezeichnete er selbstironisch durchaus als "Akt auf dem Trapez". Lieber traf er sich mit Studenten im Café, um mit ihnen über aktuelle Forschungsfragen zu diskutieren.

Als ihm 1913 die renommierten Forscher Max Planck und Walther Nernst eine Professur in Berlin – ohne Lehrverpflichtung – anboten, sagte der 34-Jährige sofort zu. Auch in der Hoffnung, dort an seiner Theorie weiter feilen zu können. Kollege Planck versuchte ihn davon abzuhalten: "Als alter Freund muss ich Ihnen davon abraten, weil Sie einerseits nicht durchkommen werden. Und wenn Sie durchkommen, wird Ihnen niemand glauben." Er sollte sich irren.

Alle Inhalte anzeigen
In Berlin ging der verheiratete Einstein eine Liaison mit seiner Cousine Elsa ein. Interessiert nahm sie an seinen Gedankenexperimenten teil, die sie im Lift überprüften. Physiker Grumiller erklärt, was Einstein dabei zu ergründen versuchte: "Die Schwerkraft ist eine Scheinkraft, das wird in einem frei fallenden Aufzug klar. Steht man darin, ist man schwerelos und spürt erst dann wieder Kräfte, wenn der Aufzug nicht mehr frei fällt – wenn er abbremst oder auf den Boden einschlägt."

Einstein, der an der theoretischen Begründung für sein Aufzugs-Experiment tüftelte, stieß an Grenzen. Er kontaktierte seinen ehemaligen Studienkollegen Marcel Grossmann, einen Mathematik-Professor: "Grossmann, du musst mir helfen, sonst werd’ ich verrückt!" Während das Genie immer wieder in Sackgassen geriet, begann die Welt um ihn zu zerbrechen. Kollegen wie Max Planck und Fritz Haber zogen begeistert in den Ersten Weltkrieg. Unter Habers Leitung wurde erstmals Giftgas eingesetzt. Pazifist Einstein, der sich als Weltbürger bezeichnete, zog sich von seinen Freunden zurück. Genauso wie von seiner Frau Mileva. Die Liebe zu ihr war längst erloschen. Obwohl seine "süße Kloane" oder "geliebte Hex" seine Begeisterung zur Forschung teilte. Ihre wissenschaftliche Karriere hinter seine stellte und mit ihm nach Berlin zog. Um sie loszuwerden, verhielt er sich tyrannisch: Sie sollte sich um den Haushalt kümmern, aber jeglichen Kontakt zu ihm vermeiden. Er entzog sich ihr in jeder Hinsicht. Die Trennung wurde zum Eklat. "Die Ehe ist eine Art Sklaverei in kulturellem Gewand", stellte er später fest. Die unverbindliche Beziehung zu Cousine Elsa, die er trotz Ehe-Aversion später heiratete, empfand er als wohltuend.

1915 fiel er in einen Schaffensrausch: Er vergaß, zu essen oder zu schlafen, spielte Violine und alle Optionen durch, um herauszufinden, wie die Anwesenheit von Materie und Energie die Struktur von Raum und Zeit festlegt. Und er zweifelte und spekulierte – öffentlich – an seinen Thesen. Das motivierte auch andere, daran zu forschen. Einer, der ihm fast zuvorkam, war David Hilbert, Mathematikprofessor in Göttingen. Einstein nahm es sportlich, bezeichnete ihn als "einen bedeutenden Mann". Den Triumph aber hatte er eingefahren.

Was Einstein in seinen mathematischen Gleichungen vor 100 Jahren beschrieb, war nicht die bekannte Formel E = mc², sondern eine Reihe an Gleichungen, bekannt als Einsteingleichungen. Physiker Daniel Grumiller erklärt ihre Essenz: "Die Geometrie sagt der Materie, wie sie sich bewegen soll, und die Materie sagt der Geometrie, wie sie sich krümmen soll." Mit der Lösung dieser Gleichungen wurde auch eine wichtige Frage zur Menschwerdung beantwortet: "Dass das Universum einen Anfang und ein Ende haben kann."

Buchtipp: "Allein gegen die Schwerkraft. Einstein 1914-1918" von Thomas de Padova; Hanser Verlag; 22,60 Euro

Alle Inhalte anzeigen

Vita: Albert Einstein

1879: Albert Einstein wird am 14.3. als Sohn jüdischer Geschäftsleute in Ulm geboren. Das künftige Genie ist ein Sorgenkind: Er beginnt spät zu sprechen, das Kindermädchen nennt ihn Depperl. Als schlechter, unangepasster Schüler türmt er aus München und überredet seine Eltern, ihn in die Schweiz zu schicken.

1895: Einstein will an der Kantonschule Aarau sein Abitur nachholen und am Polytechnikum in Zürich studieren.

1896: Er maturiert mit Bestnoten; vier Jahre später beendet er sein Studium als diplomierter Fachlehrer für Mathematik und Physik.

1901: Er erhält die Schweizer Staatsbürgerschaft, ein Jahr später bekommt er eine feste Anstellung beim Patentamt Bern. Er wird "Technischer Experte dritter Klasse".

1903: Einstein heiratet die gebürtige Serbin Mileva Maric, die er an der Universität kennengelernt hat. Seine Eltern sind gegen die Verbindung. Noch vor der Hochzeit bekommen sie ein uneheliches Kind (Lieserl) - sie verschwindet spurlos. Vermutlich wurde sie zu Milevas Verwandten geschickt oder adoptiert. Später kommen noch Hans Albert (1904) und Eduard (1910) zur Welt.

1905: Einsteins "Wunderjahr". Er veröffentlicht u.a. die berühmte Formel E = mc². Sie besagt, dass die Masse und Ruheenergie eines Objekts zueinander proportional sind.

1906: Einstein wird Professor an der ETH Zürich.

1914: Max Planck bietet ihm eine Professur in Berlin an - ohne Lehrverpflichtung. Einstein nimmt sie an. In Berlin kommt er auch seiner Cousine Elsa Löwenthal näher.

1919: Die Royal Astronomy Society in London erklärt Einstein zum Nachfolger Newtons. Im gleichen Jahr lässt er sich von Mileva scheiden und heiratet seine Cousine Elsa, die bereits zwei Töchter hat.

1921: Einstein ist auf Vortragsreise in Japan, als ihn die Nachricht vom Nobelpreis-Gewinn überbracht wird. 1922 bekommt er diesen für für seine Entdeckung des Gesetzes des photoelektrischen Effekts überreicht. In seiner Rede sprach er allerdings nur über die Relativitätstheorie.

1932: Gastprofessur in Princeton. Nach der Machtübernahme der Nazis bleibt Einstein in den USA und wird 1940 amerikanischer Staatsbürger. Durch seinen Brief an Präsident Roosevelt 1939 unterstützt er den Bau der Atombombe - Einstein befürchtete, dass die Nationalsozialisten eine Bombe bauten. In seinen Memoiren bereute er es, dass er in dieser Situation zu leichtfertig handelte.

1955: In seinem Unterleib bricht ein Aneurysma auf, er stirbt an inneren Blutungen. Seinem Wunsch gemäß, wird er verbrannt, seine Asche an einen unbekannten Ort verstreut. Sein Gehirn wurde allerdings vom Chefpathologen Thomas Harvey gestohlen, um es zu erforschen.

Die ÖAW feiert das Jubiläum der Relativitätstheorie mit einer Veranstaltungsreihe. Am 1. 10. startet sie mit dem kostenlosen Vortrag über die "Entstehung und Renaissance der Allgemeinen Relativitätstheorie" im ÖAW-Saal (Dr.-Ignaz-Seipel-Platz 2, 1010 Wien). Vom 5.–7. 10. gibt es einen wissenschaftlichen Workshop zum Thema "100 Jahre gekrümmte Raumzeit". Von 2. 10.–6. 11. findet im ÖAW-Hauptgebäude eine interaktive Schau statt. In Kooperation mit den Wiener Vorlesungen referieren auch bekannte Physiker, u. a. Weltraumexperte Wolfgang Baumjohann (19. 10.). Mehr Infos hier.