Leben/Gesellschaft

Was von der Monarchie blieb

Schwere weiß-goldene Flügeltüren, rote Damast-Tapete, Uhren aus der Barockzeit und Porträts von Adeligen: Wenn Heinz Fischer in seinen Amtsräumen ist, geht er durch eine "Sissi"-Filmkulisse. Für viele ist der österreichische Bundespräsident ein "Ersatzkaiser". In diesem Jahr wählt Österreich Fischers Nachfolger – 100 Jahre nach dem Tod des "letzten großen Kaisers" Franz Joseph I.

Der Mann mit dem berühmtesten Backenbart und der längsten Regentschaft in Österreich (68 Jahre!) ist auch als toter Kaiser allgegenwärtig. Wo man hinsieht, steht der Name "Franz Joseph" oder seine Initialen "FJI". An der Ringstraße, auf Brücken, Kasernen, Museen und Schulen. Vom Franz-Josefs-Bahnhof, Franz-Josefs-Kai, Franz-Josefs-Spital bis zu Franz Josef, einem House-Club im 7. Bezirk.

Beamte & Titelmanie

Auch wo man ihn nicht sieht, ist der Kaiser präsent. Zum Beispiel in österreichischen Amtsstuben. Das Beamtenwesen wurde von Maria Theresia (1717–1780) eingeführt, um das Habsburger-Reich bis in die letzten Winkel verwalten zu können. Ihr Sohn, Joseph II., festigte das System. Die Posten waren trotz schlechter Bezahlung begehrt, denn Beamte waren pensionsberechtigt. Dafür nahmen Berufs-Anwärter acht bis zehn Jahre unbezahlte Praktika in Kauf.

Auch die Aussicht auf Auszeichnungen und Orden motivierte – was den Herrschenden zugute kam: Statt Gehaltserhöhung gab es Professoren-Titel. Für die damals allerhöchsten Beamten den Hofrat. Der Titel überlebte Kaiser und Kriege. Und wird heute noch als Amts-und Berufstitel vom Bundespräsidenten verliehen. Wie auch der Schulrat, Regierungsrat, Oberstudienrat, Regierungsrat, Kommerzialrat, Baurat oder Medizinalrat.

Nominell ist "Unser Herr Bundespräsident" (UHBP) auch Oberbefehlshaber des Bundesheeres und übt das Gnadenrecht aus. Wie einst der Kaiser. "Die Monarchie hat sich in vielen Institutionen der Republik fortgesetzt. Im Bundespräsidenten ist sie zur Person geworden", schreibt Rechtswissenschaftler Manfried Welan. Während zu Beginn der Republik das Für und Wider eines Monarchen diskutiert wurde, wird heute das Amt des "Ersatzkaisers" infrage gestellt.

Für den Historiker Manfried Rauchensteiner hat der Bundespräsident zwar bestimmte Vorrechte, die aber "nicht alleine auf Österreich bezogen sind". Solche Vorrechte hätten auch Präsidenten in Ländern ohne Monarchie-Hintergrund, etwa in den USA. Einer, der sich allerdings wie eine Art "Ersatzkaiser" sah, war Karl Renner, sagt Rauchensteiner. Dieser empörte sich zum Beispiel über die formlose Anrede in einem Brief der Amerikaner ("Lieber Herr Bundespräsident").

Goldgrube

Zurück zum Kaiser, oder eigentlich zur Kaiserin. In der Habsburgergeschichte war Elisabeth politisch ein Leichtgewicht, aber die bekannteste und einträglichste "Marke" der Dynastie. "Sisi" und ihr "Franzl" sind dank der Filmreihe zu einem Stück österreichischer Identität geworden – und eine touristische Goldgrube. Schloss Schönbrunn ist die meistbesuchte Sehenswürdigkeit im Land. Mehr als drei Millionen Menschen besuchten im vergangenen Jahr die ehemalige Sommer-Residenz.

Wie die Monarchie bis heute gezielt vermarktet wird, zeigt sich am besten in Bad Ischl, dem Urlaubsdomizil von Franz Joseph. Im Gedenken an seinen Geburtstag finden jährlich die Kaisertage statt, mit: Kaiser Franz Joseph Gedächtnis-Trabrennen, Kaiser-Golf-Turnier, Kaisermesse und Kaiserzug. Auch im restlichen Österreich versammeln sich backenbärtige oder schwarz-gelbe Fahnen schwingende Männer in monarchistischen Formationen.

Neben Maria Theresia, die sich selbst als "Landesmutter" stilisierte, wird Franz Joseph als großväterliche Figur verklärt. "Der alte Herr in Schönbrunn war für viele Generationen Oberhaupt und Über-Vater, ohne den man sich das Reich nicht hätte vorstellen können, und den man auch nicht hätte stürzen wollen", schreibt Rechtswissenschafter Welan. "Er wird nicht als ganzer Mensch in den Mittelpunkt gerückt, sondern nur Ausschnitte aus seiner Biografie gezeigt", stellt Historiker Rauchensteiner fest.

Franz Josephs positive Resonanz liegt auch an seinem farblosen Vorgänger und seinem glücklosen Nachfolger. Ferdinand I., sein kränklicher Onkel, vom Volk "Nandl, der Depp" genannt, war laut Rauchensteiner "regierungsunfähig". Karl I., sein Großneffe, hat zu kurz regiert und wird mit dem Zerfall der Monarchie verbunden. Er verließ am 24. März 1919 Österreich. Auf dem Weg in die Schweiz nahm er seine Verzichtserklärung zurück. Mit der Begründung: "Einen Kaiser von Gottes Gnaden können die Leute nicht einfach absetzen." Trotzdem gingen 650 Jahre Habsburger-Regentschaft in Österreich zu Ende. Audienzen hält der österreichische Kaiser nur mehr im Fernsehen – als Heinrich I., parodiert von Robert Palfrader.

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